Heidelberg-Studie legt erstmals Schwerpunkt auf gesellschaftliche Teilhabe

Stadt bietet umfangreiche Angebote an

Die neue Heidelberg-Studie 2023 ist erschienen. Schwerpunkt der Bürgerumfrage, die ihren festen Platz im Jahreskalender der Stadt Heidelberg hat, sind diesmal die sozialen und wirtschaftlichen Lebenslagen der Heidelbergerinnen und Heidelberger. Gezielt wurde hierbei der Fokus auf Armutsgefährdung gelegt. Wie viele Menschen sind in der wohlhabenden Universitätsstadt betroffen? Vor allem geht es dabei um ihre Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. An der repräsentativen Heidelberg-Studie 2023, die im September 2024 zum 19. Mal erschienen ist, machten im Herbst 2023 insgesamt 2.462 Bürgerinnen und Bürger mit. Erhoben hat die Daten die Dima Marktforschung GmbH, erstmals auf Grundlage einer Online- statt einer Telefonbefragung – auf Deutsch und Englisch.  

„Der Schwerpunkt der diesjährigen Heidelberg-Studie befasst sich mit den unterschiedlichen Lebenslagen unserer Bewohnerinnen und Bewohner. Sie bietet einen sehr guten und wichtigen Überblick zu diesem Thema“, sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner bei der Vorstellung am Montag, 16. September 2024, im Rathaus: „Uns als Stadtverwaltung ist es ein zentrales Anliegen, Menschen in prekären Lebenslagen zu unterstützen. Die Wünsche und Probleme unserer Bürgerinnen und Bürger werden gehört. Wir wollen den Betroffenen künftig noch gezielter Hilfen anbieten und sind mit zahlreichen Angeboten wie dem Heidelberg-Pass und weiteren Aktionen direkt in den Stadtteilen gut aufgestellt.“

„Die Befragten haben erstmals ihre Antworten über einen digitalen Fragebogen abgegeben. Aufgrund der Online-Befragung haben wir mehr als doppelt so viele Antworten erhalten, weshalb wir auch viel mehr Aussagen pro Stadtteil vorliegen haben. Die Daten sind enorm hilfreich für den weiteren Ausbau und die Entwicklung unser Stadtteil- und Quartiersmanagements. Das ist das Team, das in allen Stadtteilen unterwegs ist und hilft, die Stadtteilentwicklung auf allen Ebenen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern voranzubringen“, ergänzte Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck.

Buntes Tortendiagramm mit den Anteilen armutsgefährdeter Gruppen in Heidelberg
Die Grafik zeigt die Anteile armutsgefährdeter Gruppen in Heidelberg, erhoben bei der Heidelberg-Studie im Herbst 2023. (Grafik: Dima Marktforschung GmbH)

Schwerpunkt: Leben und gesellschaftliche Teilhabe in Heidelberg

Die Heidelberg-Studie 2023 legt den Fokus auf die verschiedenen Lebenslagen in Heidelberg. Dabei zeigt sich: Ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.000 Euro erleichtert es entscheidend, um am sozialen und kulturellen Leben teilhaben zu können. Und: 16 Prozent der befragten Heidelbergerinnen und Heidelberger sind armutsgefährdet. Vier von zehn unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze (39 Prozent) sind allerdings Studierende, die eine gute berufliche Perspektive haben. Real armutsgefährdet sind faktisch weniger als zehn Prozent.

Nach EU-Standard gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 60 Prozent des Medians des Äquivalenzeinkommens der jeweiligen Bevölkerung zur Verfügung hat. Wer darunter liegt, ist zu weit von der gesellschaftlichen Mitte entfernt, so dass der-/diejenige als arm gilt.

Ausgangslage

  • Alter: Rund ein Viertel der Teilnehmenden der Studie 2023 ist zwischen 16 und 29 Jahre alt, ein weiteres Viertel ist 60 Jahre und älter. Knapp 20 Prozent sind zwischen 30 und 39 Jahre alt, rund je 15 Prozent sind zwischen 40 und 49 sowie zwischen 50 und 59 Jahre alt.
  • Beschäftigung: Arbeit spielt eine zentrale Rolle, um Armutsrisiken zu reduzieren: 37 Prozent der Befragten in Heidelberg arbeiten in Vollzeit, 14 Prozent in Teilzeit, nur 2 Prozent sind arbeitslos. 16 Prozent der Teilnehmenden sind im Studium.
  • Haushaltsnettoeinkommen: Rund ein Drittel (36 Prozent) der Befragten haben in ihrem Haushalt ein monatliches Nettoeinkommen von 4.000 Euro und mehr. Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen in Deutschland liegt laut Statistischem Bundesamt bei rund 4.000 Euro. 12 Prozent der Befragten geben an, monatlich weniger als 1.300 Euro zu haben. Weitere 19 Prozent verfügen lediglich über bis zu 2.600 Euro, was in etwa die Armutsgrenze eines Drei-Personen-Haushaltes markiert. 12 Prozent machten keine Angaben.

Wirtschaftliche und soziale Lebenslage

  • Eigene wirtschaftliche Situation: 50 Prozent aller Befragten bewerten die eigene wirtschaftliche Lage als sehr gut oder gut. 38 Prozent urteilen mit teils gut/teils schlecht, 9 Prozent sehen sich in einer schlechten wirtschaftlichen Situation. Je älter die Befragten sind, desto besser bewerten sie ihre Lage. Die Zahlen decken sich mit den Ergebnissen des bundesweiten Politbarometers (53 Prozent gut, 36 Prozent gemischt, 10 Prozent schlecht).
  • Wirtschaftliche Lage schlechter bewertet: Die Bewertung folgt einem Abwärtstrend, der seit 2020 und der Zunahme weltweiter Krisen (unter anderem Corona, Ukraine-Krieg) zu beobachten ist (2020: 75 Prozent, 2021: 72 Prozent, 2022: 63 Prozent). Der Anteil, der die wirtschaftliche Lage als schlecht bezeichnet, erreicht mit 9 Prozent den höchsten Wert der vergangenen zehn Jahre.
  • Ab 4.000 Euro wird es positiver: Bis zu einem Haushaltsnettoeinkommen von 4.000 Euro schätzen die Befragten ihre wirtschaftliche Lage mehrheitlich als teils gut/teils schlecht bis schlecht ein. Erst mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.000 Euro gibt es einen deutlichen Anstieg, bei dem 75 Prozent ihre ökonomische Lage positiv bewerten.
  • Prognose: 57 Prozent der Befragten vermuten, dass die wirtschaftliche Lage der Kinder in Zukunft im Vergleich zur eigenen wirtschaftlichen Lage schlechter sein wird. Nur 9 Prozent gehen von einer Verbesserung aus.

Wie viel zahlen Befragte für das Leben in Heidelberg?

  • Wohnen: 40 Prozent des Haushaltsbudgets geben die Befragten schätzungsweise für Miete, Nebenkosten und Instandhaltung aus. Das entspricht etwa dem Bundesschnitt (36 Prozent).
  • Täglicher Bedarf: Weitere 33 Prozent werden für Dinge des täglichen Bedarfs sowie Kleidung, Telefon, Mobilität, Kinderbetreuung und mehr benötigt.
  • Freizeit: 14 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens verbleiben für Freizeit, Sport und Kultur (Bundesdurchschnitt: 10 Prozent, laut Statistischem Bundesamt)
  • Gut leben ab 4.300 Euro: Für eine Familie mit einem drei- bis zehnjährigen Kind schätzen die Befragten, dass ein monatliches Mindesteinkommen des Haushaltes von durchschnittlich 4.300 Euro in Heidelberg nötig ist, um gut leben zu können.
  • Haushaltsnettoeinkommen: Bei etwa jeder dritten befragten Familie mit Kindern unter 18 Jahren liegt das Einkommen pro Haushalt bei bis zu 4.000 Euro und weniger.
  • Wohnen ist teuer: Hohe Wohnkosten sehen die Teilnehmenden als dringendstes soziales Problem an: 38 Prozent der spontanen Nennungen fallen darauf.

Armutsgefährdung in Heidelberg

  • Betroffene: Bei 16 Prozent der Befragten (rund 400 von insgesamt 2.462 Teilnehmenden) liegt das monatliche Haushaltsnettoeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze (zum Beispiel Ein-Personen-Haushalt bis zu 1.300 Euro, Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren bis zu 2.600 Euro). Vier von zehn Armutsgefährdete sind allerdings Studierende, die eine gute berufliche Perspektive haben und nicht dauerhaft unter dieser Grenze bleiben werden.
  • Studierende und Alleinerziehende: Fast jede/r zweite befragte Alleinerziehende und jeder zweite befragte Studierende liegt mit dem Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze.
  • Hälfte für Wohnen und Energie: Befragte unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze geben durchschnittlich die Hälfte ihres monatlichen Einkommens für Wohnen und Energie aus.
  • Kultur, Sport und Hobby: Für 66 Prozent der Befragten unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze reicht das Geld für Freizeitaktivitäten nicht aus.
  • Mehr Armut wahrgenommen: Knapp die Hälfte aller Befragten (45 Prozent) ist der Auffassung, dass sich die Anzahl der Menschen in Armut in der Stadt erhöht hat.

Teilnahme an Freizeitaktivitäten

  • Fast jeder dritte Haushalt: 29 Prozent der befragten Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren geben an, zu wenig Geld für die Freizeitaktivitäten der eigenen Kinder zu haben.
  • Untere Einkommensgruppen stark betroffen: Besonders betroffen sind Familien mit bis zu 2.600 Euro pro Haushalt – hier sind es zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten.
  • Kosten für Aktivitäten: 41 Prozent mit einem Haushaltseinkommen von 2.600 bis 4.000 Euro geben an, zu wenig Geld für Freizeitaktivitäten der Kinder zu haben. Ab 4.000 Euro pro Haushalt verfügen mehr als 80 Prozent über ausreichend Mittel.
  • Mehr Angebote: 26 Prozent geben an, dass Freizeitangebote für Jugendliche und Kinder fehlen, vor allem Jugendzentren (19 Prozent) und Sportangebote (Vereine; 18 Prozent).

Maßnahmen der Stadt gegen Armut

  • Heidelberg-Pass (+): Dieser ist mit 73 Prozent das bekannteste Angebot der Stadt. Unter den Familien mit Kindern kennen sogar 88 Prozent den Heidelberg-Pass/-Pass+. Rund 9.400 Pässe sind derzeit vergeben.
  • Wohnberechtigungsschein: Jeder zweite Befragte (51 Prozent) kennt den Wohnberechtigungsschein, wobei die Bekanntheit bei Senioren mit 60 Prozent und bei Alleinerziehenden mit 65 Prozent deutlich höher ausfällt.
  • Ferien- und Freizeitangebote: Rund jeder zweite Befragte kennt die Kinderferienbetreuung, 40 Prozent die Ganztagsschule, ebenfalls 40 Prozent das Sozialticket. Den Heidelberger Ferienpass haben zuletzt 1.700 Kinder und Jugendliche genutzt.
  • Hilfsangebote: Die Stadt und ihre Partner bietet Menschen in Notsituationen vielfältige Hilfen an – Übersicht online unter heidelberg.de/gegenarmut.
  • Beratungsstellen: Über Beratungsangebote informiert die Stadt Heidelberg online unter heidelberg.de/beratung.

Allgemeine Probleme: Verkehr und Wohnen

  • Verkehr ist größtes Problem: Das Thema bleibt für Heidelberger auch in diesem Jahr das wichtigste Problem der Stadt. Knapp zwei Drittel aller Befragten (63 Prozent) stufen den Verkehr als wichtigstes Problem der Stadt ein. Der Wert ist ähnlich wie in den Vorjahren.
  • Wohnen: Ein Drittel der Befragten (35 Prozent) nennt den Wohnungsmarkt und die Höhe der Mieten als wichtigstes Problem – ein Anstieg (2021: 23 Prozent, 2022: 30 Prozent).

Wohlfühlen und Interesse an Kommunalpolitik

  • Wohlfühlwerte: 95 Prozent der Befragten geben an, sich in Heidelberg wohl zu fühlen. Wie in den vergangenen Jahren befindet sich dieser Wert auf einem hohen Niveau.
  • Hohes Interesse für Politik: 86 Prozent geben an, sich für Politik sehr stark oder etwas zu interessieren (2022: 87 Prozent). Eine leichte Verschiebung ist festzustellen: Nur noch 51 Prozent stufen ihr Interesse als sehr stark ein. Das sind 10 Prozent weniger als im Jahr 2022.
    Ein (sehr) starkes Interesse an Kommunalpolitik haben 32 Prozent der Befragten.
  • Bürgerbeteiligung ist gefragt: 90 Prozent der Befragten stufen die Bürgerbeteiligung als (sehr) wichtig ein. Je jünger die Befragten sind (16 bis 29 Jahre), desto wichtiger finden sie die Bürgerbeteiligung (93 Prozent).
  • Gemeinderat: (Sehr) zufrieden mit dem Gemeinderat sind 29 Prozent, ebenfalls 29 Prozent sind weniger/nicht zufrieden. 42 Prozent der Befragten machen keine Angabe.
  • Zufriedenheit mit dem OB: 48 Prozent sind mit der Arbeit von Oberbürgermeister Eckart Würzner zufrieden, 19 Prozent sind es eher nicht. Die Zufriedenheit steigt mit dem Alter der Befragten: Während es in der jüngsten Altersgruppe bis 29 Jahre 36 Prozent sind, steigt der Anteil bis zur Altersgruppe ab 70 Jahren auf 68 Prozent, die ihre Zufriedenheit mit dem OB bekunden. Insgesamt 33 Prozent möchten sich kein Urteil erlauben.

Gute Nachrichten

  • Ehrenamt: Fast jeder Dritte (29 Prozent) gibt an, sich in einem Ehrenamt zu engagieren. Dabei sind es auffällig häufig mit 36 Prozent auch die jüngeren Altersgruppen bis 29 Jahre mit einem Engagement, während in den Altersgruppen von 30 bis 59 Jahren der Anteil deutlich darunterliegt. Schlierbacher engagieren sich am häufigsten (42 Prozent).
  • Guter Arbeitsort: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Heidelberg werden von den Befragten insgesamt sehr positiv gesehen. 53 Prozent sind der Ansicht, dass die Möglichkeiten, in Heidelberg eine gut bezahlte Arbeit zu finden, (sehr) gut sind und 46 Prozent schätzen das Lohn- und Gehaltsniveau als (sehr) gut ein.

Ergänzend: Alle Heidelberg-Studien im Internet unter www.heidelberg.de/heidelberg-studie

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