„Wir werden stärker, wir werden lauter“
Mehr als 200 Frauen trafen sich am Internationalen Frauentag zum ersten Heidelberger Netzwerk-Lunch
„Wir sind viele, wir werden stärker, wir werden lauter – indem wir uns vernetzen, solidarisch sind und gemeinsam Verantwortung übernehmen“, gab Bürgermeisterin Stefanie Jansen kämpferisch als Parole für den ersten Heidelberger Netzwerk-Lunch zum Internationalen Frauentag aus. Mehr als 200 Interessierte waren am Samstag, 8. März 2025, ins Kulturzentrum Karlstorbahnhof gekommen, um sich in Workshops auszutauschen und auf dem Podium sechs engagierte Frauen kennenzulernen, die in Heidelberg teils neu in Führungspositionen Verantwortung übernehmen: Bernadette Sonnenbichler, die ab der Spielzeit 2026/27 neue Intendantin des Theaters und Orchesters Heidelberg sein wird, Dr. Lena Jöhnk, neue Programmdirektorin des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI), Sandra Arendarczyk, neue Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Heidelberg, Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern, Prorektorin für Innovation und Transfer an der Universität Heidelberg, Eva Paula Mendes de Oliveira Gomes, neue Vorsitzende des Migrationsbeirats der Stadt Heidelberg, und Dr. Marilena Geugjes, Heidelberger Abgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen im Landtag.
Dass nach der Bundestagswahl so viele Frauen im Parlament sitzen wie in den 1990er Jahren, dass Frauen für vergleichbare Arbeit oftmals schlechter bezahlt werden, dass sie überproportional viel Care-Arbeit leisten, von Altersarmut und von sexueller Gewalt betroffen sind – all das war für Moderatorin Evein Obulor Anlass danach zu fragen, wie die sechs auf dem Podium selbst von anderen Frauen geprägt wurden und wie sie feministische Themen in Heidelberg voranbringen wollen:
Sonnenbichler: Geschichten von Frauen erzählen
Die Zahl, die Positionen und die Bezahlung von Frauen im Theaterbetrieb sind für die designierte Theaterintendantin Bernadette Sonnenbichler Schlüsselfaktoren für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Mit Blick auf die Repräsentation auf der Bühne und den Umgang mit dem Stücke-Kanon des Theaters, müsse man fragen: Wer spielt was? Und wie kann man neue Blickwinkel auf den Kanon gewinnen? Zentral ist für Sonnenbichler auch die Förderung von Komponistinnen und Autorinnen, damit in Zukunft häufiger auch „Geschichten von Frauen erzählt werden“.
Jöhnk: Kulturhäuser haben Vorbildfunktion
DAI-Programmdirektorin Dr. Lena Jöhnk, in deren Leben Frauen als Mentorinnen eine Rolle gespielt haben, sieht Kulturhäuser in einer Vorbildfunktion: „Wir prägen Bilder, gesellschaftliche Annahmen und Praktiken. Entscheidend ist: wer wird eingeladen, wer spricht über welche Themen.“ Daran, dass Programme paritätischer werden, müsse man proaktiv arbeiten.
Geugjes: Repräsentanz von Frauen ist wichtig
Dr. Marilena Geugjes ist eine der wenigen jungen Frauen mit Kindern unter 35, die als Landtagsabgeordnete in Stuttgart Politik macht. Hier und als Gemeinderätin in Heidelberg habe sie viel von weiblicher Solidarität profitiert. Um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen, sei die Repräsentanz von Frauen in der Politik enorm wichtig. Dafür bräuchten Frauen nicht einfach nur Mut, sondern auch strukturelle Voraussetzungen, etwa eine verlässliche Kinderbetreuung.
Patzel-Mattern: Zeigen, wo Frauen stark sind
Prof. Katja Patzel-Mattern hat als Wissenschaftlerin wechselseitige Stärkung in Netzwerken erfahren. Sie plädierte dafür, „Bereiche sichtbar zu machen, wo Frauen stark sind, wo Frauen Welt verändert haben. Das gibt Selbstbewusstsein um in der Politik lauter zu werden“, sagte die Historikerin.
Arendarczyk: Mehr Sichtbarkeit, mehr Netzwerke – und langer Atem
Auf mehr Sichtbarkeit und Frauen-Netzwerke setzt auch die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Heidelberg, Sandra Arendarczyk. „Gleichberechtigung ist ein Marathon, kein Sprint“, brachte sie auf den Punkt, was Frauen auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit brauchen: einen langen Atem.
Oliveira: Frauen mit Migrationshintergrund einladen
Von anderen Erfahrungen als die ihrer Mitdiskutantinnen berichte Eva Oliveira, neue Vorsitzende des Migrationsbeirats. In der patriarchalen Struktur ihres Geburtslandes Portugal habe sie keine Unterstützung von Frauen erfahren, auch später nicht beim Studium in Deutschland. „Deshalb ist es wichtig Frauen mit Migrationsgeschichte abzuholen, zu unterstützen und sichtbar zu machen“, forderte sie. Man müsse mehr auf sie zugehen und sie einladen.
Blick voraus: Was folgt auf den Netzwerk-Lunch?
„Es geht weiter“, freute sich Bürgermeisterin Stefanie Jansen. Die Dezernentin für Soziales, Bildung, Familie und Chancengleichheit formulierte den Wunsch, dass die Belange von Frauen in der Stadt überall mitgedacht werden und Heidelberg sich irgendwann den Titel „Women City“ geben darf. Die große Resonanz auf die erste Heidelberger Frauenkonferenz im Herbst 2024 und den ersten Netzwerk-Lunch zum Internationalen Frauentag 2025 sind Ansporn für die Bürgermeisterin, den Austausch der vielen bereits engagierten Frauen in Heidelberg zu intensivieren. Außerdem will sie auf diejenigen Frauen in Heidelberg zuzugehen, die mit den bisherigen Formaten noch nicht erreicht wurden. Das große Engagement im Bereich Geschlechtergerechtigkeit will Jansen künftig mit dem Amt für Chancengleichheit und gemeinsam mit Institutionen, Frauengruppen und -initiativen an mindestens zwei Tagen im Jahr sichtbar machen: am Internationalen Frauentag am 8. März und am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November.
Veronika Haas, Festivalleiterin des Literaturherbst und engagierte Vordenkerin und Mitorganisatorin der Frauenkonferenz kündigte zum Abschluss des Netzwerk-Lunch ein Novum für Heidelberg an: Derzeit werde die Gründung eines eingetragenen gemeinnützigen Vereins vorbereitet, der Fördermittel akquiriere. Damit sollten Frauenprojekte von einer regelmäßigen, dauerhaften und verlässlichen Struktur und Förderung profitieren.