WCs für alle Geschlechter
Schrittweise Umsetzung bei städtischen Um- und Neubauten
Welchen Bedarf und welche Möglichkeiten es für die Einrichtung geschlechtsneutraler Toiletten gibt, entscheiden künftig bei städtischen Neu- und Umbauten das Heidelberger Hochbauamt, die zuständigen Bauherrenämter und die Koordinationsstelle LSBTIQ+ des Amtes für Chancengleichheit gemeinsam. Das hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 10. Februar 2022 mit großer Mehrheit beschlossen.
„Für Menschen, deren Erscheinungsbild nicht den gängigen Geschlechterbildern entspricht, kann es durch fehlende sanitäre Angebote zu diskriminierenden Erlebnissen und Gefahrensituationen kommen. Sie erfahren nicht selten Beleidigungen, Raumverweise und sogar Gewaltandrohungen“, erklärt Marius Emmerich von der Koordinationsstelle LSBTIQ+ der Stadt Heidelberg.
Im Heidelberger Rathaus wurde bereits 2020 ein WC für alle Geschlechter eingerichtet. Zurzeit sind weitere genderneutrale Toiletten in Planung, unter anderem im neuen Kulturhaus Karlstorbahnhof, im sich gerade im Bau befindlichen Konferenzzentrum und in einem städtischen Verwaltungsgebäude. In den nächsten Jahren soll nun die Anzahl geschlechtsneutraler Toiletten schrittweise erhöht werden, indem deren Einrichtung bei allen Neu- und Umbaumaßnahmen von vornherein eingeplant wird. Mit diesem Vorgehen ist die Stadt Heidelberg deutschlandweite Vorreiterin und eine der ersten Städte, die das Thema fest in die Entwicklung neuer Baumaßnahmen integriert.
Um städtische Angestellte und externe Reinigungskräfte zu sensibilisieren und Diskriminierung vorzubeugen, sollen ab kommendem Jahr zusätzlich Informationsmaterialien zu geschlechtlicher Vielfalt und Sanitärnutzung erstellt werden.
Seit 2017 schützt ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die geschlechtliche Identität von Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind. Ein Angebot von WC-Anlagen in öffentlichen Räumen, das von allen Menschen diskriminierungsfrei genutzt werden kann, ist entsprechend erforderlich. Mehrere deutsche Kommunen arbeiten daher an einer Umsetzung von WCs für alle Geschlechter, jedoch hat bisher noch keine deutsche Stadt flächendeckend genderneutrale WCs eingeführt.
2021 ermittelte eine Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos bei 19.000 Personen im Alter von 16 bis 74 Jahren aus 27 Ländern, dass sich vier Prozent der Generation Z (geboren nach 1996) nicht als männlich oder weiblich identifizierten. Schätzungen des Ethikrats zufolge leben in Deutschland etwa 80.000 intergeschlechtliche Menschen.