Immaterielles Kulturerbe: Deutsche UNESCO-Kommission zeichnet Heidelberger Hip-Hop aus
OB Würzner: Würdigung für bahnbrechende Pionierarbeit / Torch: Schlüssel für große Pläne
Heidelberg ist eine der zentralen Städte des deutschsprachigen Hip-Hop. Die besondere Bedeutung Heidelbergs in der Hip-Hop-Kultur hat nun die deutsche UNESCO-Kommission gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz in besonderer Art und Weise gewürdigt: Der Heidelberger Hip-Hop wird in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. „Aufgrund der historischen Rolle Heidelbergs gilt die Stadt als Erinnerungsort für die Entwicklung der deutschsprachigen Hip-Hop-Kultur. Sie zeichnet sich durch ihren offenen Partizipationscharakter und eine breite Vernetzung in Deutschland aus“, heißt es zur Begründung. Den Antrag zur Aufnahme in das Verzeichnis hatte die Stadt Heidelberg im Jahr 2021 gemeinsam mit Akteuren aus der Hip-Hop-Szene, allen voran der Hip-Hop-Forscher Bryan Vit, gestellt.
„Ich freue mich sehr über die offizielle Anerkennung unserer Kultur. Der Titel könnte der Schlüssel sein, um weitere Türen zu öffnen, die es ermöglichen, unser Erbe mit der Stadtgesellschaft würdevoll zu teilen. Dazu haben wir große Pläne und würden uns freuen, unsere Kontakte und Ideen einzubringen“, sagt der Heidelberger Hip-Hop-Pionier Frederik Hahn alias Torch. Toni Landomini alias Toni-L ergänzt: „Ich bin sehr glücklich über diese Würdigung und Anerkennung, denn wir haben nie aufgehört an Hip-Hop zu glauben und diese Kultur. Mit diesem Titel und der Unterstützung der Stadt wollen wir nun ein Zuhause für Hip-Hop schaffen, wo wir in Austausch mit jüngeren Generationen kommen und unser Erbe weitergeben können.“
Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner erklärt: „Es freut mich sehr, dass unser Antrag erfolgreich war und der Heidelberger Hip-Hop nun ein Immaterielles Kulturerbe ist. Damit wird einmal mehr sichtbar, wie vielfältig und international vernetzt das kulturelle Leben in Heidelberg ist. Die Auszeichnung ist zudem eine Anerkennung für die bahnbrechende Pionierarbeit, die Torch, Toni-L und andere hier in Heidelberg geleistet haben. Hip-Hop ist eine komplexe und enorm vielfältige Kulturform. Die Auszeichnung bestärkt uns in unseren Plänen, dieser Kultur in Heidelberg einen neuen Ort zu geben, an dem die reiche Geschichte erzählt und neue Kapitel geschrieben werden können“, so OB Würzner.
Pläne für ein Hip-Hop-Forum in Heidelberg
Für ein derartiges Hip-Hop-Forum befindet sich die Stadtspitze bereits seit längerem in Gesprächen mit den Protagonisten der Heidelberger Szene. „Wir haben das klare Ziel, für den deutschsprachigen Hip-Hop hier in Heidelberg einen Ort zu schaffen, der Vergangenheit und Zukunft verbindet und die gesamte Kultur einem breiten Publikum zugänglich macht. Keine Stadt eignet sich hierfür so gut wie Heidelberg“, ist Heidelbergs Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson überzeugt.
Für einen Grundstock ist bereits gesorgt: Torch hat dem Heidelberger Stadtarchiv eine Sammlung mit über 5.000 Archivalien übergeben. Sie wird dort verwahrt, gegenwärtig für die wissenschaftliche Nutzung aufbereitet und bildet die Basis der gemeinsamen Ambitionen aller Beteiligten. An der Erfassung des Materials und Entwicklung einer Datenbank arbeitet Bryan Vit in Zusammenarbeit mit Archivleiter Dr. Peter Blum und seinem Team seit über drei Jahren. Auch das städtische Kulturamt unter Dr. Andrea Edel ist in das Projekt eingebunden.
Eine Präsentation für die Öffentlichkeit könnte auf der ehemaligen US-Fläche Campbell Barracks in der Südstadt realisiert werden. An diesem Ort könnte neben der Darstellung der Historie auch Platz für gegenwärtige Kunst, Kultur, Forschung und Bildung rund um Hip-Hop sein. Als mögliche Trägerstruktur ist ein von Torch, Toni-L und Vit noch zu gründendes Institut im Gespräch, dessen Aktivitäten die Stadt über institutionelle Zuschüsse unterstützen könnte – sofern der Gemeinderat zustimmt. Zudem engagieren sich für das Projekt unter anderem Dr. Andreas Margara als wissenschaftlicher Berater sowie Prof. Dr. Henry Keazor (Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg) und Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt (Musikwissenschaftliches Seminar, Universität Heidelberg).
Hintergrund: Die Historie des Hip-Hop in Heidelberg
In den 1980er-Jahren bildete sich in Heidelberg um den Pionier Frederik Hahn alias Torch eine lebendige Szene. In den 1990er-Jahren waren unter anderem die Gruppe Advanced Chemistry um Torch und Toni-L, die Stieber Twins oder Cora E. maßgeblich für die Entwicklung der Hip-Hop-Kultur im deutschsprachigen Raum. Künstler wie Max Herre oder Curse berufen sich auf den Conscious-Rap, der spätestens durch die Veröffentlichung von „Fremd im eigenen Land“ 1992 in Deutschland begann.
Auch der Freestyle-Rap in deutscher Sprache wurde von Torch eingeführt. Freestyle-Meister wie MC Rene, Samy Deluxe, Blumentopf und unzählige andere perfektionierten diese innovative Form der Improvisation, die bis heute landesweit praktiziert wird. Mit „Fenster zum Hof“ brachten die Stieber Twins ein Album heraus, das musikalisch stilbildend und durch den dialektalen Einschlag sprachlich einzigartig ist. Das Album „Blauer Samt“ von Torch besticht dagegen durch den literarisch-philosophischen Inhalt und schlägt eine Brücke zur Heidelberger Romantik. Auch die erste, schillernde, weibliche Figur im deutschen Rap, Cora E., entstammt der Heidelberger Szene und Toni-L, der seit Jahrzehnten innerhalb der Stadt als Hip-Hop-Repräsentant agiert, entwickelte als erster doppel-reimige Raps auf Deutsch.
Nicht zuletzt aufgrund der nationalen und internationalen Vernetzung bezeichnen unzählige prominente Vertreterinnen und Vertreter der Hip-Hop-Kultur Heidelberg als einflussreichen Ort für die Entwicklung von Hip-Hop im deutschsprachigen Raum. Ein zentrales Format der hiesigen, gelebten Kultur ist die 360°-Jam: ein gemeinsames, generationenübergreifendes Zelebrieren der Elemente Deejaying, Breakdance, Graffiti, Rap und Wissen (Knowledge).