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„Das Heidenloch"

Ein Blutbad vor 111 Jahren

Buchcover: Das Heidenloch
Buchcover: Das Heidenloch (Foto: Verlag Regionalkultur)

Über einen fantastisch-mythologischen Roman

Schreckliches geschah im Sommer 1907 in Handschuhsheim: Unbekannte und lange Zeit auch undefinierbare Wesen griffen - nachdem sie bereits mehrere Nächte lang auf dem Heiligenberg und in seiner Umgebung gewütet und dabei Menschen und Tiere getötet hatten - in der Nacht zum 28. Juni den Stadtteil von der Bergseite her an und brachten 28 Personen auf bestialische Weise um. Allen Getöteten, Menschen wie Tieren, fehlten anschließend die Köpfe, die ihnen offensichtlich mit großer Kraft abgerissen worden waren.

So steht es jedenfalls in einer Akte, die - mit dem Hinweis „Streng vertraulich" versehen - jahrzehntelang unbeachtet im Generallandesarchiv in Karlsruhe lagerte, bis sie Ende der 1990er-Jahre von einem Archivmitarbeiter entdeckt wurde. Der Historiker Martin Schemm, der in Heidelberg studierte und hier sein Examen ablegte, verarbeitete den Inhalt jener Geheimakte zu einem fantastisch-mythologischen Roman. Das Buch mit dem Titel „Das Heidenloch" erschien im Jahre 2000 als Publikation des Stadtarchivs Heidelberg im Heidelberger Verlag Guderjahn, der inzwischen zum Verlag Regionalkultur in Ubstadt-Weiher gehört.

Historiker Martin Schemm
Historiker Martin Schemm (Foto: Stadtarchiv Heidelberg)

Die Geschehnisse im Sommer 1907 stellten die Behörden, das heißt: die Stadt Heidelberg mit dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Wilckens an der Spitze, die Polizei und das badische Innenministerium in Karlsruhe, vor ein großes Rätsel. Nie zuvor hatte sich hier Ähnliches ereignet. Wer waren diese riesigen Schattenwesen, die auf dem Heiligenberg und an seinen Hängen solche Schrecken verbreiteten, Bäume entwurzelten und wie Strohhalme zerbrachen und Häuser zerstörten, die von verschiedenen Personen zwar gesehen wurden, aber von ihnen nie genau beschrieben werden konnten, und die sich auf ihren mörderischen Raubzügen nicht einmal durch Kugeln aus Polizeipistolen aufhalten ließen? Weil sie diese Frage nicht beantworten konnten, entschieden die Behördenleiter, die Vorfälle geheim zu halten, um die Bevölkerung nicht weiter zu beunruhigen.

Als sich schließlich mit Hilfe hoch qualifizierter Geschichtswissenschaftler, Archivare und Bibliothekare der Universität Heidelberg und von anderen Hochschulen doch eine Antwort darauf fand, was sich auf dem Gipfel des Heiligenbergs Furchterregendes abspielte, war es bereits zu spät, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Denn so plötzlich wie die blutgierigen Schattenwesen aufgetaucht waren, verschwanden sie auch wieder. Den an den Aufklärungsversuchen der schlimmen Morde beteiligten Personen blieb nur die Erkenntnis, Zeugen von Vorkommnissen geworden zu sein, die sich offensichtlich im Abstand von jeweils eintausend Jahren wiederholten. Eine gleiche oder sehr ähnliche Katastrophe musste es wohl schon einmal im Jahre 907 gegeben haben, als die Mönche auf dem Heiligenberg, der damals noch Aberinsberg hieß, das Michaelskloster fluchtartig verließen und erst allmählich und zögernd wieder dorthin zurückkehrten. Die Geschichts- und Literaturforscher fanden außerdem in alten Schriften Hinweise darauf, dass sich auch im Jahr 93 vor Beginn unserer Zeitrechnung ähnliche Schreckensmeldungen verbreitet hatten, die sehr wahrscheinlich von der damaligen keltischen Siedlung auf dem Heiligenberg ausgingen.

Plakatmotiv zum Heidenloch
Plakatmotiv zum Heidenloch (Foto: Stadtarchiv Heidelberg)

Des Rätsels Lösung fanden die Wissenschaftler in den Büchern des griechischen Historienschreibers Homer. Der erwähnte in seiner „Odyssee", dass Odysseus und seine Gefährten mit ihren Schiffen an die Küste des Landes der Lästrygonen angetrieben wurden. Die Lästrygonen waren menschenfressende Riesen. Sie töteten alle Gefährten des Odysseus, nur er selbst konnte fliehen. Auf Wunsch der Göttin Pallas Athene wurden die Lästrygonen wegen dieses blutigen Frevels von Göttervater Zeus hart bestraft: Sie mussten hinfort unter der Erde leben und durften nur alle tausend Jahre zur Erdoberfläche hinaufsteigen, um ihren Hunger mit Menschenfleisch zu stillen; wobei ihnen nur erlaubt war, die Köpfe ihrer Opfer zu essen. Das sollte nach Zeus' Willen immer um die Zeit der Sommersonnenwende sein. Damit war auch geklärt, warum der Spuk der riesigen Schattengestalten auf dem Heiligenberg genau vom 21. bis 28. Juni 1907 dauerte.

Das Erschreckende daran: Ihren Weg auf die Erdoberfläche fanden die Lästrygonen stets durch den tiefen Schacht des Heidenlochs auf dem vorderen Gipfel des Heiligenbergs, der ihnen wohl auch bei nächster Gelegenheit wieder als Ausstieg aus ihrem unterirdischen Gefängnis dienen wird. Dann werden mit Sicherheit wieder die Menschen in den an den Heiligenberg grenzenden Heidelberger Stadtteilen ihre ersten Opfer sein. Seit dem letzten blutigen Raubzug der Lästrygonen sind jetzt genau 111 Jahre vergangen. Mit ihrem nächsten Auftauchen ist somit erst wieder in 889 Jahren zu rechnen - falls sich nicht bewahrheitet, was der eingangs erwähnte Mitarbeiter des Generallandesarchivs glaubt beobachtet zu haben: nämlich Hinweise darauf, dass die Lästrygonen (oder zumindest einzelne von ihnen) sich nicht an die von Zeus verhängte Tausend-Jahres-Frist halten, sondern öfter auf Menschenjagd gehen, dazu durch das Heidenloch heraufsteigen und mit den Köpfen ihrer Opfer wieder dorthin verschwinden.

Natürlich ist die Geschichte von den Lästrygonen eine Sage, wie auch die Geheimakte mit der Aufzeichnung des Geschehens im Sommer 1907 eine Fiktion ist. Martin Schemm hat aus diesem an Fantasien reichen Stoff allerdings einen lesenswerten und fesselnden Roman gemacht. Wer dieses Buch zur Hand nimmt, möchte es so schnell nicht wieder zur Seite legen.

Die „Archivcuvée"

Den fantastisch-mythologischen Roman „Das Heidenloch"  gibt es auch als E-Book (ISBN 9783897350083). Es wurde im Herbst 2017 von Dr. Peter Blum, der als Direktor des Stadtarchivs Heidelberg auch Herausgeber des Werkes ist, im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Die Mitarbeiter/innen des Stadtarchivs kredenzten zu diesem Anlass sowohl Blut der Lägystronen-Opfer (Rotwein) als auch das viel blasserer Blut der furchterregenden Schattenwesen selbst (Weißwein und Säfte). Dazu gaben sie bekannt, dass das E-Book zum Preis von 7,99 Euro erworben werden kann und die Print-Ausgabe (ISBN 389735165X) 14,90 Euro sowie die Hörspiel-CD (ISBN: 978-3-89735-599-6) 12,90 Euro kostet.

Autor: Jürgen Brose, Quelle: Jahrbuch 2018, Stadtteilverein Handschuhsheim e.V.
 
Verlag Regionalkultur: Buch und E-Book / Hörspiel-CD

Plakat Heidenloch, 3 Motive (Bezug über das Stadtarchiv)
Format: 50x70 cm
Papier: Top Color 120g
je € 6,50
Verpackung und Porto € 6,20

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