Allgemeine Informationen zur Schöffenwahl
Wie ist das Verfahren?
- In jedem 5. Jahr stellt die Stadt Heidelberg jeweils eigene Vorschlagslisten für die Wahl der Schöffinnen und Schöffen sowie Jugendschöffinnen und Jugendschöffen auf.
- Der Gemeinderat entscheidet über die Aufnahme in die Vorschlagsliste der Schöffinnen und Schöffen. Für die Jugendschöffinnen und Jugendschöffen ist der Jugendhilfeausschuss verantwortlich.
- Die Vorschlagslisten werden nach der Aufstellung eine Woche lang zur Einsicht ausgelegt.
- Nach Ablauf der Einspruchsfrist werden die Listen an das jeweils zuständige Amtsgericht weitergeleitet. Mit der Übersendung der Vorschlagslisten endet die Mitwirkung der Stadt Heidelberg bei der Wahl der Schöffinnen und Schöffen.
- An den Amtsgerichten entscheidet ein Ausschuss über eventuelle Einsprüche und wählt aus den Listen die erforderliche Anzahl an Schöffinnen und Schöffen sowie Jugendschöffinnen und Jugendschöffen aus.
- Die gewählten Personen werden von den Gerichten in das Ehrenamt einer Schöffin/eines Schöffen berufen. Die Sitzungstage, an denen verhandelt wird, werden immer für ein ganzes Jahr im Voraus festgelegt. Die Reihenfolge, in der die Schöffinnen und Schöffen daran teilnehmen müssen, wird ausgelost.
Wer kann gewählt werden?
Bewerberinnen und Bewerber müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und in Heidelberg wohnen. Sie müssen am ersten Tag der Amtsperiode mindestens 25 Jahre alt sein und dürfen noch nicht das 70. Lebensjahr vollendet haben.
Bewerberinnen und Bewerber müssen außerdem die deutsche Sprache ausreichend beherrschen und gesundheitlich geeignet sein, das Amt auch in lange dauernden Hauptverhandlungen ohne Unterbrechung auszuüben.
Bewerberinnen und Bewerber für das Jugendschöffenamt sollen darüber hinaus erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein.
Wie entsteht eine Vorschlagsliste?
Um den Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der vorsieht, diverse Gruppen der Bevölkerung auch in der Schöffenbesetzung zu repräsentieren, werden unterschiedliche Institutionen, Parteien, Vereine und andere Einrichtungen gebeten, Vorschläge geeigneter Personen abzugeben.
Interessentinnen und Interessenten für das Schöffenamt bei den Strafkammern und Schöffengerichten können sich darüber hinaus auch direkt beim Bürgeramt Mitte unter
Tel.: 06221/58-13550 und 58-13580 oder per Mail wahldienststelle@heidelberg.de melden.
Interessentinnen und Interessenten für das Jugendschöffenamt können sich beim Kinder- und Jugendamt unter Tel.: 06221/58-37050 und 58-31560 oder per Mail amt51-verwaltung@heidelberg.de melden.
Wer darf nicht Schöffin oder Schöffe werden?
Personen, die infolge einer Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren haben oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten verurteilt wurden oder gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat schwebt, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann.
Wer soll nicht berufen werden?
- Personen, die aus gesundheitlichen Gründen oder mangels ausreichender Beherrschung der deutschen Sprache für das Amt nicht geeignet sind.
- Personen, die in Vermögensverfall geraten sind.
- Richterinnen/Richter und Beamtinnen/Beamte der Staatsanwaltschaft, Notarinnen/Notare und Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte, gerichtliche Vollstreckungsbeamtinnen/Vollstreckungsbeamte, Polizeivollzugsbeamtinnen/Polizeivollzugsbeamte, Bedienstete des Strafvollzugs sowie hauptamtliche Bewährungs- und Gerichtshelferinnen/Gerichtshelfer.
Wer kann das Schöffenamt ablehnen?
Wer zur Schöffin/zum Schöffen gewählt wurde, ist zur Annahme und Ausübung des Amtes verpflichtet. Die Ablehnung der Berufung zum Schöffenamt ist nur aus den im Gesetz besonders vorgesehenen Gründen möglich.
Ablehnungsberechtigt sind:
- Parlamentsabgeordnete,
- Ärztinnen/Ärzte, Zahnärztinnen/Zahnärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger, Hebammen und bestimmte Apothekenleiterinnen/Apothekenleiter,
- Personen, die in der vorhergehenden Amtsperiode an 40 Tagen als Schöffin/Schöffe tätig waren sowie Personen, die bereits bei einem anderen Gericht als ehrenamtliche Richterin/ehrenamtlicher Richter tätig sind,
- Personen, die glaubhaft machen, dass Ihnen die Ausübung des Schöffenamtes die unmittelbare persönliche Fürsorge für ihre Familie in besonderem Maße erschwert,
- Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Ende der Amtsperiode vollenden werden,
- Personen, die glaubhaft machen, dass die Ausübung des Amtes für sie oder einen Dritten wegen Gefährdung oder erheblicher Beeinträchtigung einer ausreichenden wirtschaftlichen Lebensgrundlage eine besondere Härte bedeutet,
- Personen, die als ehrenamtliche Richterin/Richter in der Strafrechtspflege in zwei aufeinander folgenden Amtsperioden tätig gewesen sind, von denen die letzte Amtsperiode zum Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagslisten noch andauert.
Ablehnungsgründe müssen innerhalb einer Woche nach Mitteilung der Wahl oder dem späteren Entstehen des Ablehnungsgrundes dem Gericht gegenüber geltend gemacht werden.
Welche persönlichen Fähigkeiten sollen vorhanden sein?
Schöffinnen/Schöffen müssen Personen sein, die für die Tätigkeit besonderes Interesse haben und die besonders engagiert sind.
Die (gesetzlich nicht geregelten) Fähigkeiten, die eine Schöffin/ein Schöffe mitbringen sollte, lassen sich stichwortartig so umschreiben:
Soziales Verständnis: Die Schöffin/Der Schöffe muss die Tat in ihrer gesellschaftlichen und persönlichen Dimension begreifen können. Sie/er muss die Motive des Handelns einer Täterin/eines Täters erfassen und in deren/dessen bisherigen Lebensweg einordnen können.
Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen: Schöffinnen/Schöffen müssen beurteilen können, ob eine Zeugin/ein Zeuge oder Angeklagte/r lügt, die Wahrheit sagt oder sich einfach nur irrt. Dazu müssen sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung Menschen einschätzen und beurteilen sowie erkennen können, ob die Aussage den allgemeinen Erfahrungen entspricht.
Logisches Denkvermögen und Intuition: Verschiedene Zeugenaussagen müssen miteinander und mit der Einlassung der/des Angeklagten sowie mit den anderen Beweismitteln verglichen und auf ihre Stimmigkeit geprüft werden. Neben der Fähigkeit zu logischem Denken kommt es auch darauf an, welches Gefühl die Schöffin/der Schöffe für die Wahrscheinlichkeit einer Aussage entwickelt. Bei der Rechtsfindung nennt man dies Judiz, im Alltagsleben Intuition.
Vorurteilsfreiheit auch in extremen Situationen: Die Schöffin/Der Schöffe begegnet in der Hauptverhandlung Situationen, in die sie/er in ihrem/seinem täglichen Leben selten geraten wird. Sie/Er wird mit hässlichsten Gewalttaten, mit der glatten Geschmeidigkeit des Betrügers, aber auch mit Angriffen der Verteidigung auf Zeugen oder Vorverurteilungen in den Medien konfrontiert. Dabei darf sie ihre/er seine Neutralität und Unparteilichkeit nie verlieren.
Mut zum Richten über Menschen.
Verantwortungsbewusstsein für den Eingriff in das Leben anderer Menschen:
Die Richterin/Der Richter ist dazu berufen, die Straftäterin/den Straftäter zu bessern, die Gemeinschaft zu schützen und der/dem bis zum Urteil als unschuldig geltende/n Angeklagte/n ein faires Verfahren zu garantieren. Sie/Er ist weder dazu da, sich über die/den Angeklagte/n zu erheben oder sie/ihn zu zerbrechen, noch soll sie/er alles entschuldigen. Mit der gebotenen Achtung vor der Macht, die sie/er ausübt, darf sie/er sich doch nicht davor scheuen, sie zu gebrauchen. Nicht nur eine langjährige Freiheitsstrafe oder ein „lebenslänglich“ kann einen Menschen vernichten. Auch ein scheinbar geringes Strafmaß kann einen Menschen, der sich ungerecht behandelt fühlt, verbittern. Und ein leichtfertig allzu milde gesprochenes Urteil kann die kriminelle Karriere ebenso fördern wie eine lange „Knastlehre“.
Standfestigkeit und Flexibilität im Vertreten der eigenen Meinung: Das Urteil kommt durch den Austausch von Meinungen zustande. Wie ist eine Zeugenaussage zu bewerten? Was gilt die Reue der/des Angeklagten? Welche Strafe ist angemessen? Bei der Beratung dieser Fragen muss die Schöffin/der Schöffe ihre/seine Auffassung vertreten können, ohne rechthaberisch zu sein, und sie/er muss andere Meinungen akzeptieren und annehmen können, ohne opportunistisch zu sein. Sie/Er muss selbstbewusst die Rolle ausüben, die sie/er im Verfahren spielen kann, aber auch erkennen, wo ihre/seine Grenzen liegen.
Kommunikations- und Dialogfähigkeit: Die Schöffin/Der Schöffe muss argumentieren und zuhören können. Es kommt nicht darauf an, Recht zu haben, sondern das angemessene und gerechte Urteil zu finden.