Die Geschichte der
Wissenschaftsstadt Heidelberg
Stadt und Wissenschaften sind in Heidelberg untrennbar miteinander verwoben. Die Symbiose begann bereits etwa 200 Jahre nach der Stadtgründung. Durch die erste Universität im heutigen Deutschland erfuhr Heidelberg ab 1386 eine wesentliche Bedeutungssteigerung und wurde als Residenzstadt der Kurpfalz etabliert. Heute bildet die 624-jährige Beziehung zwischen Stadt und Universität einen großen kulturellen Erfahrungsschatz, der sich in verschiedene Phasen gliedern lässt.
15./16. Jahrhundert: Hochburg von Humanismus und Reformation
Im 15. bzw. 16. Jahrhundert galt Heidelberg als Hochburg des Humanismus und der Reformation. Insbesondere in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte die Universität als calvinistische Hochschule eine große Anziehungskraft. Baulich blieb die Universität im kleinteiligen mittelalterlichen Stadtgrundriss integriert und mit wenigen Sonderbauten eher unauffällig.
Anfang 18. Jahrhundert: Wiederaufbau auf mittelalterlichem Grundriss
Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg und den Pfälzer Erbfolgekriegen brachte der barocke Wiederaufbau auf mittelalterlichem Grundriss in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kaum spezielle Universitätsbauten hervor. Als größere und im Stadtgefüge auffällige Bauten wurden damals vorrangig Paläste des Adels und Klöster zurückkehrender Orden errichtet. Eine Ausnahme davon war etwa der Bau des neuen Hauptgebäudes der Universität, des Domus Wilhelma (heute Alte Universität). In dieser Zeit entstand auch der heutige Universitätsplatz, damals angelegt als Parade- und Exerzierplatz auf dem zerstörten alten Augustinerkloster.
19. Jahrhundert: Imagebildung und Wachstum
Anfang 19. Jahrhundert: Blütezeit im Spannungsfeld von Romantik und Aufklärung
Anfang des 19. Jahrhunderts begann im Spannungsfeld von Aufklärung und Romantik eine für Heidelberg bis heute nachwirkende Blütezeit. Nach dem Anschluss an Baden 1803 wurde die Universität von Großherzog Karl-Friedrich als Anhänger der Aufklärung reorganisiert. Gleichzeitig kamen viele Protagonisten der Romantik, angezogen von landschaftlicher Einbettung, Schlossruine und Stadtbild, (als Studenten) nach Heidelberg. In ihren Berichten, Gedichten und Bildern verschmolzen Landschaft, Stadt, universitäres und studentisches Leben zum Image einer deutschen Universitätsstadt. Das räumliche Wachstum der Universität fand auf Klosterflächen statt, die infolge der Säkularisierung zur Verfügung standen.
Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: erste Spezialgebäude für die Wissenschaften
Grundlagen moderner Naturwissenschaften - Bunsen, Kirchhoff, Helmholtz, Czerny: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Heidelberg wichtige Grundlagen moderner Naturwissenschaften und Medizin gelegt. Als berühmte Vertreter werden hier gerne das „naturwissenschaftliche Dreigestirn“ Robert Bunsen, Gustav Kirchhoff, Hermann von Helmholtz oder etwas später Vinzenz Czerny als Begründer der Heidelberger Krebsforschung angeführt. Für die moderne naturwissenschaftliche Forschung entstehen Mitte des Jahrhunderts mit den für die Altstadt eher großmaßstäblichen Institutsgebäuden an Brunnengasse und Akademiestraße die ersten originären Wissenschaftsbauten. Erstmals wirkte sich nun die Universitätsentwicklung massiv auf den Stadtgrundriss aus.
Die Altstadt wird zu klein - Stadterweiterung: Bald schon kann die Altstadt die modernen Anforderungen nicht mehr erfüllen; Ihre Enge wird nicht nur für das sich industrialisierende Gewerbe zur Überlebensfrage. Auch für die Krankenhäuser entspricht die räumliche Situation nun nicht mehr dem Stand der Wissenschaften. Ab 1869 wurde daher in Bergheim, dem einzigen damaligen Stadterweiterungsgebiet, nach dem Prinzip der „Hygiene durch Städtebau“ das „Neue Akademische Krankenhaus“ (Altklinikum) gebaut.
Auch die Physik verlässt bereits 1912 die „neuen“ Gebäude in Richtung Philosophenweg, zum einen um wachsen zu können, zum anderen aber offensichtlich auch schon damals, um auf dem Festgestein des Heiligenbergs ungestörte (und erschütterungsfreie) Laborbedingungen zu schaffen. Auf 1912 datiert auch der erste Plan zur Verlagerung der Naturwissenschaften in das Neuenheimer Feld.
Anfang des 20. Jahrhunderts: "Heidelberg als geistige Lebensform"
Bevor dies passiert steht jedoch Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine weitere wichtige Phase der Universitäts- und Stadtgeschichte an. Charakteristisch für diese Zeit war das humanistische, weltoffene und liberale Denken, das damals etwa in den interdisziplinären Gesprächskreisen von Max Weber gebildet und gepflegt wurde. Symbolhaft steht hierfür das durch Karl Jaspers geprägte Motto „Heidelberg als geistige Lebensform“ sowie der Schriftzug auf dem 1931 fertig gestellten Gebäude der Neuen Universität: „Dem lebendigen Geist“. Ihr Bau dokumentiert außerdem, gemeinsam mit dem Bau der neuen Universitätsbibliothek an der Peterskirche (1901 bis 1905), die bis heute tragende Standortentscheidung für den Verbleib der Geisteswissenschaften in der Altstadt.
Nachkriegszeit: Verlagerung der Medizin und der Naturwissenschaften
In der Nachkriegszeit wird angesichts des starken Wachstums der Universität und deren Einrichtungen an die alten Pläne zur Verlagerung der Medizin und der Naturwissenschaften in das Neuenheimer Feld angeknüpft. Durch Kriege und Wirtschaftskrise mehrfach unterbrochen, wurden bis Kriegsende die Brückenkopfbebauung des Kaiser-Wilhelm-Instituts (heute Max-Planck-Institut) für medizinische Forschung (1928) und die chirurgische Klinik (1939) realisiert.