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Hilde-Domin-Preis

für Literatur im Exil

Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2023 der Stadt Heidelberg an Bachtyar Ali verliehen

Der Schriftsteller Bachtyar Ali ist mit dem Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2023 der Stadt Heidelberg ausgezeichnet worden. Bürgermeisterin Martina Pfister überreichte den Preis am 12. März im Heidelberger Rathaus. Die Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert. Sie wird alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren.

Bachtyar Ali mit Bürgermeisterin Martina Pfister
Der Schriftsteller Bachtyar Ali erhielt den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2023 am 12. März im Heidelberger Rathaus aus den Händen von Bürgermeisterin Martina Pfister. (Foto: Konrad Gös)

Die Jury erklärte in ihrer Begründung: „In einer Welt der Krisen und Kriege setzt Bachtyar Ali mit seiner Literatur Zeichen der Humanität. Sein Werk und seine Biographie sind geprägt vom Krieg im irakischen Kurdistan. Als sprachmächtiger, fabelhafter Erzähler verwandelt er die Gewalt und das tausendfache Morden in politische Parabeln, in bildstarke Märchen, in Weltliteratur voller Magie, ohne das Grauen des Krieges zu verharmlosen oder gar zu verschweigen. Seine Romane sind ein Epitaph für die Opfer, eine große Erzählung von Freundschaft, Verrat und Leid, von der Suche nach Wahrheit, Aussöhnung ohne Vergeltung und vom Überleben mit und durch Geschichten.“
 
„Der Hilde-Domin-Preis ist ein unabdingbarer Baustein der Literaturförderung in der weltweit vernetzten UNESCO-Literaturstadt Heidelberg“, sagte Kulturbürgermeisterin Martina Pfister bei der Preisverleihung und dankte Ali für sein schriftstellerisches Engagement und seinen Mut: „In Deutschland und damit im Exil leben Sie bereits seit Mitte der Neunzigerjahre. Hier entstanden jene Werke, die Sie auch in Deutschland bekannt gemacht haben. Werke, in denen Sie die Poesie nie an die Politik verraten haben. Und in denen Sie dennoch Einspruch erheben gegen die Zumutungen des Exils und der politischen Repressionen, die dem Exil so oft vorausgehen.“

Geschenk und Bereicherung zugleich

Der Erzähler, Übersetzer und Kulturjournalist Stefan Weidner beschrieb Bachtyar Ali in seiner Laudatio (143 KB) als einen Autor, dessen Werk und Existenz für seine deutschen Leserinnen und Leser ein Geschenk und Bereicherung zugleich sei: „Eine solche, auf den ersten, oberflächlichen Blick ‚fremde‘ Literatur ist nicht nur ein Schutz vor dem Verlust von Welthaltigkeit und vor emotionaler Verkümmerung; sondern auch vor Ideologie und Mainstreaming, Anpassung und Gleichschaltung. Dieser Aspekt in Bachtyar Alis Werk entspricht einem Anliegen auch von Hilde Domin. Auch sie würde sagen: Damit der Mensch sich gegen Ideologie, gegen Propaganda, gegen Manipulation durch die Macht, durch missbrauchte, verdrehte, manipulierte Sprache und schließlich durch soziale Zwänge wehren kann, braucht er die Literatur, braucht er die emotionale und intellektuelle Erweiterung und Freiheit, die Literatur bieten kann“, so Weidner.
 
Bachtyar Ali, 1966 in Sulaimaniyya (Nordirak) geboren, geriet 1983 durch sein Engagement für die Studentenproteste in Konflikt mit der Diktatur Saddam Husseins. Sein erster Gedichtband erschien 1992. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane, Gedichte und Essays. Auf Deutsch sind bis dato erschienen „Die Stadt der weißen Musiker“ (2014), „Der letzte Granatapfel“ (2017), „Perwanas Abend“ (2019), „Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ (2021) sowie der Essayband „Das Lächeln des Diktators“ (2022). In Kurdistan gewann Bachtyar Ali großes Ansehen durch seine unparteiische Haltung und seine offene Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen in seiner Heimat. 2009 erhielt er als erster Schriftsteller den HARDI-Literaturpreis, der zum größten Kulturfestival im kurdischen Teil des Irak gehört. 2014 wurde er mit dem neu eingerichteteten Sherko Bekas-Literaturpreis ausgezeichnet. Bachtyar Ali lebt seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland. 2017 wurde er mit dem Nelly-Sachs-Preis ausgezeichnet.

Neben Hilde Domin erhielten den Preis bisher der in Teheran geborene Autor SAID, der in Leningrad geborene Boris Chasanow und dessen Übersetzerin Annelore Nitschke, der Bosnier Stevan Tontic, der Algerier Hamid Skif, der Deutsch-Iraker Sherko Fatah, der in Leningrad geborene Autor Oleg Jurjew, der in Bagdad geborene Autor Abbas Khider, der deutsche Schriftsteller Edgar Hilsenrath sowie die deutsche Schriftstellerin Natascha Wodin.

Die Jury

Mitglieder der Jury des Hilde-Domin-Preises waren:

  • Dr. Doerte Bischoff, Professorin für Neuere deutsche Literatur und Leiterin der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur an der Universität Hamburg
  • Gregor Dotzauer, Literaturkritiker, Essayist und Kulturredakteur; seit 1999 Literaturredakteur bei „Der Tagesspiegel“ (Berlin)
  • Marie Luise Knott, Publizistin, Übersetzerin, Kritikerin, Herausgeberin u.a. von Hannah-Arendt-Schriften
  • Dr. Kerstin Schoor, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin; Inhaberin der Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
  • Cornelia Zetzsche, Literaturkritikerin, Kuratorin und Kulturjournalistin

Zum Preisträger 2023

Porträtbild Bachtyar Ali
Bachtyar Ali. (Foto: Hama Karim Khasraw)

Bachtyar Ali, geb.1966 in Sulaimaniyya bzw. Slemani, in der autonomen Region Kurdistan im Irak, lebt seit Mitte der 1990er Jahre im deutschen Exil. In seiner Heimat erschienen seine Romane in den Verlagen Ranj und Andesha und wurden Bestseller. 2005 kürte das Bildungsministerium des autonomen irakischen Kurdistan den Roman „Die Stadt der weißen Musiker“ zum besten Buch des Jahres. 2009 erhielt er als erster den HARDI-Literaturpreis, der zum größten Kulturfestival im kurdischen Teil des Irak gehört. 2014 wurde er mit dem damals neuen Sherko Bekas-Literaturpreis ausgezeichnet, 2017 mit dem Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund. Der Züricher Unionsverlag publiziert seine Bücher auf Deutsch, in der Übersetzung von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim.

Die begleitende Broschüre zum Preis finden Sie hier. (854 KB)

Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger

Weitere Informationen zum Preis

Die Stadt Heidelberg stiftete 1992 anlässlich des vermeintlichen 80. Geburtstags der Ehrenbürgerin und ersten Preisträgerin Hilde Domin (1909-2006) den Preis "Literatur im Exil". Aus Anlass des Todes von Hilde Domin wird der Preis seit 2006 zu ihrem Gedenken als "Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil" vergeben.

Die Auszeichnung wird alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren. Die Vergabe kann entweder für eine Einzelleistung oder in Anerkennung des Gesamtwerkes erfolgen. Bei ins Deutsche übersetzten Werken kann der Übersetzer oder die Übersetzerin nach Ermessen der Jury bis zu einem Drittel am Preis beteiligt werden. Der Preis ist dotiert mit 15.000 Euro.

Satzung (84 KB)

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