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Psychosoziale Risikofaktoren
In der Einschätzung von Risikofaktoren kann man davon ausgehen, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungsstörungen mit dem Auftreten verschiedener Risikofaktoren vervielfacht. Das heißt, die Existenz eines Risikofaktors verursacht nicht notwendig eine Belastung oder Störung eines Menschen. Jedoch erhöhen die Häufung und Chronizität von Risikofaktoren erheblich die Belastungen und psychischen Beeinträchtigungen von Menschen – besonders, wenn nicht ausreichend schützende Faktoren vorhanden sind.
Als Hauptrisikofaktoren für die kindliche Entwicklung werden chronische Disharmonie oder Desorganisation in der Familie, niedriger sozioökonomischer Status, große Familien und sehr enger Wohnraum, Isolation der Mutter, Kriminalität eines Elternteils, Gewalt und Misshandlung innerhalb der Familie, sehr junge Eltern, psychische Störungen der Eltern sowie Kontakte mit Einrichtungen der sozialen Kontrolle benannt.
Diese Risikofaktoren können in ihrer schädigenden Auswirkung auf die kindliche Entwicklung entscheidend durch das Vorhandensein entsprechender Schutzfaktoren abgemildert werden. Im Rahmen einer Entwicklungsprognose von Kindern und Jugendlichen müssen immer beide Aspekte ihrer Lebenssituation, vorhandene Risiko- und vorhandene Schutzfaktoren, einbezogen werden.
- Sozioökonomische Belastungen
- Armut
- beengte Wohnverhältnisse
- Belastungen der Eltern
- psychische Erkrankungen
- Suchtmittelabhängigkeit
- chronische, schwerwiegende Überforderungssituationen
- eingeschränkte elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenz
- broken-home-Familien
- eigene Misshandlungs- und/oder Vernachlässigungserfahrungen
- geringe Schulbildung
- fehlendes verlässliches familiäres bzw. soziales Netz - Belastungen der Partnerschaft
- unerwünschte Schwangerschaft
- frühe Elternschaft / jugendliche Mütter
- gestörte Partnerschaft
- alleinerziehender Elternteil - Belastungen des Kindes
- Frühgeburt
- Gesundheitliche Beeinträchtigungen ( z.B. chronische Krankheit oder Behinderung )
- Allgemeine Regulationsstörungen / Schreikinder/ Schlafstörungen/ Fütterstörungen
- Temperamentfaktoren
Schutzfaktoren
- Eine sichere emotionale Bindung an die Eltern oder eine andere Bezugsperson.
- Merkmale des Erziehungsklimas: Emotional herzlich und anregend, unterstützend sowie gemeinschaftsorientiert; gleichzeitig auch eine erzieherische Haltung, die Leistung fordert, Regeln setzt und das Verhalten kontrolliert; insgesamt eine emotionalen Halt und Struktur gebende Erziehung.
- Soziale Unterstützung in und außerhalb der Familie: Die Existenz sozialer Netzwerke in Nachbarschaft oder Gemeinde sowie tragfähige Verwandtschaftsbeziehungen; dabei helfen, unterstützende Personen zum einen Schwierigkeiten zu bewältigen, sie sind zum anderen gleichzeitig Modell für ein aktives und konstruktives Bewältigungsverhalten.
- Dosierte Verantwortlichkeit der Kinder und Jugendlichen für kleine Verantwortlichkeitsbereiche im Alltag: z.B. Betreuung kleinerer Geschwister, Übernahme bestimmter Pflichten im Haushalt, selbstständige Versorgung eines Haustieres etc.
- Temperamentsmerkmale, die die Interaktion mit Bezugspersonen erleichtern; z.B. bei Säuglingen: leichte Beruhigbarkeit, geringe Irritierbarkeit, eher extrovertiert, flexibel und anpassungsfähig.
- Kognitive und soziale Kompetenzen: Einfühlung und emotionale Ausdrucksfähigkeit, die auch eine bessere soziale Problemlösefähigkeit ermöglichen; z.B. bei Konflikten mehrere Seiten mit einzubeziehen und über Diskussionen und sprachliche Auseinandersetzung Lösungen finden zu können – anstelle von z.B. gewalttätigem Verhalten; mittlere Intelligenz und Leistungsmotivation begünstigen Schulerfolge, die sich wiederum stabilisierend auf das Selbstwertgefühl auswirken.
- Selbstbezogene Kognitionen und Emotionen: Diese Aspekte umfassen das Vorhandensein von Selbstvertrauen, einem positiven Selbstwertgefühl und eine höhere Selbstwirksam-keitserwartung; das bedeutet eine Grundüberzeugung im Sinne von „was ich mir realistisch vornehme, kann ich auch schaffen und erreichen“ – im Gegensatz zu einer passiven oder fatalistischen Grundhaltung.
- Aktiver Bewältigungsstil bei Belastungen und Konflikten: z.B. in Gesprächen Lösungen suchen, Belastungen mitteilen, darüber sprechen, sich Rat holen; der Gegensatz dazu ist vermeidendes, passiv-resignatives Bewältigungsverhalten.
- Erleben von Sinn und Kohärenz im Leben: Damit ist die Fähigkeit gemeint, dem Leben einen Sinn, eine Bedeutung und auch einen Zusammenhang geben zu können; dieses beinhaltet auch, sich für einige Bereiche zu engagieren, wie z.B. als Jugendlichen in Jugend-, Musik- oder Sportgruppen, als Ministrant, beim Naturschutz usw. Das Gefühl von Kohärenz kann sich zeigen, indem die verschiedensten Ereignisse im Leben als grundsätzlich vorhersehbar, erklärbar und bewältigbar erlebt werden. Ethische und religiöse Wertorientierungen können sich in ähnlicher Weise auswirken.
- Entwicklung und Erarbeitung eines realistischen Bildes der eigenen Zukunft; z.B. eine realistische Ausbildungs- und Berufsplanung für einen Jugendlichen, auch eine realistische Einschätzung seiner zu erwartenden finanziellen Spielräume.
Quellen: BLÜML – DJI-Projekt ASD 2006, LAUCHT et al. 2005, KINDLER 2007