Indikatoren einer Kindeswohlgefährdung
Definition Kindeswohlgefährdung
- „Eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ ( Bundesgerichtshof ).
- Gefährdung durch Unterlassen oder Handeln einer unmittelbaren Bezugsperson, in der Regel des Sorgeberechtigten.
- Gefährdung im Hinblick auf das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder auch im Hinblick auf sein Vermögen.
Gefährdungstatbestände des § 1666 BGB
Missbräuchliches Ausüben der elterlichen Sorge
Als missbräuchliches Ausüben der elterlichen Sorge sind von der Rechtsprechung u. a. klassifiziert worden:
- körperliche Misshandlung
- übermäßige Züchtigung, auch deren Duldung durch den anderen Elternteil
- ungenügende Förderung der Ausbildung des Kindes
- Verweigerung ärztlicher Heileingriffe, wie Bluttransfusion, Operation oder notwendige Impfung
- Ablehnung einer psychiatrischen Unterstützung bei einer psychischen Störung eines Kindes oder Jugendlichen
- Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch oder auch Verhinderung desselben trotz Indikation
- Behinderung des Umgang mit Dritten, z.B. mit dem umgangsberechtigten Elternteil oder mit Großeltern
- Anhalten zum Betteln oder sonstigen strafbaren Handlungen oder zur Unzucht
Vernachlässigung
Als Vernachlässigung sind u.a. rechtlich qualifiziert:
- stark unzureichende Ernährung oder Pflege des Kindes
- Verwahrlosung der Wohnung
- Passives Unterlassen jeglicher ärztlicher Behandlung oder gebotener Unterbringung in einer Klinik
- Vernachlässigung der Kleidung
- Duldung des Herumtreibens
- mangelhafte Beaufsichtigung
- mangelhafte Sorge für einen regelmäßigen Schulbesuch
- Duldung ungünstiger Einflüsse Dritter
Unverschuldetes Versagen
Unterscheidet sich von den o.g. Tatbeständen lediglich darin, dass der Elternteil nicht aus freiem Willensentschluss handelt, sondern in seiner gegenwärtigen Lage oder seinem Gesundheitszustand zu anderem Verhalten nicht fähig ist. Beispiele dafür sind:
- ernsthafte psychische Erkrankungen wie Schizophrenien
- Alkoholabhängigkeit
- Grundrechtspositionen beeinträchtigende religiöse Vorstellungen (z.B. Ablehnung einer Bluttransfusion bei Angehörigen einer bestimmten religiösen Gemeinschaft)
- starke Minderbegabung
Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten eines Dritten
„Dritte“ bezeichnet alle Personen, die nicht Eltern sind.
Beispiele
- Die Verleitung eines Kindes/Jugendlichen durch einen Außenstehenden in suchtgefährdender Weise zu Alkohol- oder Drogenkonsum
Anleitung zu Straftaten oder z.B. Anleitung zu pornographischen Aufnahmen, Prostitution oder Drogenkonsum. - Bei einer Gefährdung des Wohls von Minderjährigen muss es deutliche Zeichen für eine nachhaltige Abweichung von der Normalentwicklung geben. Diese liegen vor, wenn:
- die Beeinträchtigungen, die ein Kind/Jugendlicher erleidet, einen hohen Schweregrad erreicht haben
- das Wohlbefinden des Minderjährigen gravierend herabgesetzt bzw. seine Lebensbedingungen besonders schlecht sind
- die schädliche Situation über einen längeren Zeitraum besteht
- die Vermutung besteht (Prognose), dass die Situation die zukünftige Entwicklung des Kindes spürbar bedrohen wird
Zusammenfassung
Zusammenfassend geht es bei der Feststellung einer Kindeswohlgefährdung um die fachliche Bewertung beobachtbarer Sachverhalte und Lebensumstände bezüglich:
- möglicher Schädigungen
- der Erheblichkeit der Gefährdungsmomente
- der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts
- der Fähigkeit der Eltern(teile), die Gefahr abzuwenden
- der Bereitschaft der Eltern(teile), die Gefahr abzuwenden
- der Möglichkeiten erforderliche und geeignete Hilfsmaßnahmen einzuleiten und durchzuführen