Der (Große) Ochsenkopf ist seit Jahren eine intensiv diskutierte Fläche in der Heidelberger Kommunalpolitik. Obwohl sie bereits seit den 1980er-Jahren in verschiedenen Planwerken als Gewerbegebiet eingetragen ist, hat sich darauf in einem Teilbereich bis heute eine breite Wiesenfläche erhalten.
Die Verlagerung des rnv-Betriebshofs auf den Ochsenkopf scheiterte 2019 in der Folge eines Bürgerentscheids. 2020 beschloss der Gemeinderat, die Fläche künftig nicht mehr für Gewerbe vorzusehen und sie stattdessen in eine Grünfläche umzuwidmen – ohne allerdings zu beschließen, welcher Flächenumfang dafür gelten soll.
In den Folgejahren beschloss der Gemeinderat für Teilbereiche der Fläche Bauprojekte wie eine Abstellanlage für Straßenbahnen oder die Erweiterung einer Schule. Zudem läuft bereits seit 2017 die Planung für eine Rad- und Fußwegeverbindung aus der Bahnstadt über die B37 und den Neckar in Richtung Neuenheimer Feld, die Infrastrukturmaßnahmen im östlichen Bereich der Fläche Ochsenkopf-Fläche erfordert. Aus Sicht der Stadt sind diese Beschlüsse nicht widersprüchlich zum Beschluss vom Oktober 2020 – stattdessen konkretisieren sie ihn. Mit der von der Stadt Heidelberg Anfang 2023 beantragten Änderung des Flächennutzungsplans beim Nachbarschaftsverband soll nun final festgelegt werden, welche Fläche künftig als Grünfläche festgelegt wird.
Was ist der (Große) Ochsenkopf?
Die Flächenbezeichnung (Großer) Ochsenkopf ist räumlich nicht eindeutig zu bestimmen. Der Name taucht erstmals im 16. Jahrhundert in den Quellen auf. Der entsprechende Zuschnitt veränderte sich über die Jahrhunderte ständig – in einem Plan aus dem Jahr 1939 ist die Fläche dieses Namens beispielsweise weitaus größer dargestellt als heute.
Auch in jüngster Zeit unterscheiden sich die Flächenumgriffe – insbesondere in Bezug auf die baulich nutzbare Fläche. Besonders interessant ist dabei der Verlauf der ehemaligen OEG-Trasse, heute Linie 5. So wird in einem städtebaulichen Strukturkonzept von 1999 das planerische Ziel festgehalten, die OEG-Gleise parallel zum DB-Gelände zu verlegen, um die Fläche besser ausnutzen zu können.
Nur sieben Jahre später hingegen, ist von einer Gleisverlegung keine Rede mehr – im Rahmenplan von 2006 bleibt die OEG-Trasse unangetastet und die Gebietsentwicklung nimmt nur nördlich davon Gestalt an.
Da keine der Planungen realisiert wurde, ist der Trassenverlauf der OEG bis heute unverändert.
Beschlusshistorie seit 2019
Ab dem Jahr 2016 werden Planungen intensiviert, den Betriebshof der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH von seinem alten Standort in Bergheim auf den Ochsenkopf zu verlagern. Im Dezember 2018 stimmt der Gemeinderat für die Verlagerung. Gegner der Verlagerung starten daraufhin ein Bürgerbegehren, das schließlich im Juli 2019 zu einem Bürgerentscheid führt. Das nötige Quorum wird dabei um mehr als 3.000 Stimmen verfehlt. Von 33.337 Wählenden stimmen 19.019 gegen die Verlagerung, nötig gewesen wären über 22.000 Stimmen. Deshalb muss der Gemeinderat erneut über die Frage entscheiden. Das Gremium folgt im Oktober 2019 schließlich der Mehrheit der Wählenden und revidiert damit den eigenen Beschluss zur Verlagerung. Stattdessen soll der Betriebshof am Altstandort neu gebaut werden.
Oktober 2020: Die Verwaltung schlägt dem Gemeinderat vor, über die Darstellung der Ochsenkopffläche im Flächennutzungsplan erst im Rahmen der Fortschreibung des Modells Räumliche Ordnung zu entscheiden. Daraufhin gibt es in der Sitzung am 8. Oktober 2020 aus der Mitte des Gemeinderats den Antrag: „Der Gemeinderat möge beschließen: Die Stadt Heidelberg beantragt bei der nächsten Fortschreibung des Flächennutzungsplanes im Nachbarschaftsverband die Umwidmung der Fläche des Großen Ochsenkopfes in eine Grünfläche.“ Der Antrag erhält eine denkbar knappe Mehrheit. Da der Beschluss nicht von der Verwaltung vorbereitet werden konnte, fehlt allerdings ein Geltungsbereich. Es kann damit nicht nachvollzogen werden, welcher Flächenumgriff exakt gemeint war. Das als Grünfläche zu schützende Areal wurde nicht genau bestimmt.
Juli 2021: Der Gemeinderat beschließt den Neubau des rnv-Betriebshof am bisherigen Standort in Bergheim. Da die Straßenbahnen während der Bauzeit andernorts abgestellt werden müssen, beschließt der Gemeinderat zudem zwei dezentrale Abstellanlagen – darunter die Abstellanlage „Wieblingen (Berufsschule)“ auf dem Ochsenkopf-Areal südlich der OEG-Gleise. Dem Beschluss sind Planzeichnungen beigefügt, die die benötigte Fläche exakt darstellen. Der Verwaltungsvorschlag wird mit großer Mehrheit angenommen.
Oktober 2021: Der Gemeinderat beschließt den Verkauf einer rund 3.200 Quadratmeter großen Fläche im westlichen Bereich des Ochsenkopf-Areals an die Kraus-Gruppe zum Zweck der Erweiterung der Heidelberg International School.
Juli 2022: Bereits seit den 1990er-Jahren lief für die Ochsenkopf-Fläche ein Bebauungsplanverfahren, um eine gewerbliche Entwicklung zu ermöglichen. Da durch den politischen Willen, das Areal zur Grünfläche umzuwidmen, ein Bebauungsplan obsolet geworden war, musste das Bebauungsplanverfahren formal beendet werden. Der Gemeinderat stimmt der Einstellung des Bebauungsplanverfahrens in seiner Juli-Sitzung 2022 zu und beschließt die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses vom 2. September 1993.
Februar 2023: Die Stadt Heidelberg beantragt beim Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim die Umplanung einer „Gewerblichen Baufläche“ in eine Freiraumdarstellung „Grünfläche“ im Bereich des Großen Ochsenkopfs. Dabei ist exakt dargestellt, welcher Bereich künftig als Grünfläche ausgewiesen sein soll. Die Flächen, die durch Gemeinderatsbeschlüsse für den Bau einer Straßenbahn-Abstellanlage sowie eine Schulerweiterung vorgesehen sind, wurden ausgenommen. Ebenso wird im Antrag erwähnt, dass im östlichen Bereich der Fläche bereits Planungen für eine Rad- und Fußwegeverbindung über die B37 und den Neckar in Richtung Neuenheimer Feld bestehen.
Fazit
Die Beschlusslage ist im Ergebnis eindeutig. In der Gemeinderatssitzung im Oktober 2020 gab es einen Antrag aus der Mitte des Rates, den Großen Ochsenkopf als Grünfläche festzusetzen. Da dieser Beschluss nicht von der Verwaltung vorbereitet war, sind die dort gewählten Begrifflichkeiten nicht eindeutig bestimmt. Es gibt für den als Grünfläche zu schützenden „Großen Ochsenkopf“ keinen Geltungsbereich, keine genaue Eingrenzung der Fläche. Die Folgebeschlüsse des Gemeinderats zum Bau einer Straßenbahn-Abstellanlage (Juli 2021) und zum Verkauf eines Grundstücks zum Zwecke einer Schulerweiterung (Oktober 2021) sind daher nicht widersprüchlich zu dem Beschluss vom Oktober 2020 sondern konkretisierend. Durch den seit Anfang 2023 laufenden Änderungsantrag der Stadt Heidelberg beim Nachbarschaftsverband wird nun final der exakte Umfang des künftig als Grünfläche zu schützenden Bereichs festgelegt.