Urban Mining im Bausektor

Gebäudebestand als Rohstofflager für die Bauten von morgen

Urban Mining, auch bekannt als „Bergbau in der Stadt“, bietet eine Antwort auf die enormen Herausforderungen der Baubranche, die weltweit rund ein Drittel des Abfallaufkommens und 35 % der Treibhausgasemissionen verursacht​​. Ziel ist es, Materialien aus Gebäuden so zu erfassen und wiederzuverwenden, dass sie in einem geschlossenen Kreislauf verbleiben. Ein digitales Materialkataster, das die Zusammensetzung von Gebäuden dokumentiert, ermöglicht eine gezielte Wiederverwendung von Baustoffen. Die Stadt Heidelberg treibt dieses Konzept mit dem Pilotprojekt „Circular City Heidelberg“ voran und gilt als Vorreiter.

Hand baut mit Bauklötzen auf einem Bauplan.

Heidelberg als Vorreiter beim Thema zukunftsfähiges Bauen

Nach der Einberufung der Stadt Heidelberg zum Strategiebeirat „Kreislaufgerechtes Bauen“ durch das Bundesbauministerium bei der die Stadt Heidelberg eine Vorreiterrolle spielt, wurde Heidelbergs erster Bürgermeister Jürgen Odszuck nun auch als einer von 20 nationalen Experten zum Runden Tisch „Zukunftsgerechtes Bauen“ einberufen. 

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Das Bundesbauministerium plant, einen digitalen Gebäuderessourcenpass für ein verbessertes Ressourcenmanagement im Bausektor einzuführen. Bei dem Treffen in Berlin sollen durch Erfahrungsaustausch und Diskussion weitere Schritte des Vorhabens geplant und Handlungsempfehlungen mit den Expertinnen und Experten ausformuliert werden. Heidelberg etabliert sich als Vorreiter und Inspiration für andere Städte, die aktiv zum Klimaschutz beitragen möchten​​​.

Was ist das Projekt?

"In unseren Gebäuden stecken tonnenweise Materialien und Rohstoffe, die nach einem Abriss wiederverwendet werden könnten. Meistens landen sie stattdessen auf dem Müll. Das ist weder nachhaltig noch klimafreundlich. Ein Umdenken in der Baubranche ist dringend notwendig.“

Die Baubranche steht vor der Herausforderung, den hohen Ressourcenverbrauch und die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen zu reduzieren. Materialien wie Beton, Mauersteine und Metalle landen bei Abrissen oft ungenutzt auf Deponien​.

Das Ziel von „Circular City Heidelberg“ ist die Schaffung eines digitalen Gebäude-Materialkatasters. Dieses soll folgende Informationen liefern:

  • Materialmengen und -qualitäten
  • Identifikation von Schadstoffen

Das Kataster hilft dabei, Materialien gezielt wiederzuverwenden, lange Transportwege zu vermeiden und die lokale Wertschöpfung zu stärken. Ein Beispiel für die Wiederverwertung ist die Nutzung von Ziegeln als Baustoff oder als Ziegelsplitt auf Tennisplätzen

Projektstand

Das Pilotprojekt „Circular City Heidelberg“ hat auf dem Patrick-Henry-Village (PHV) konkrete Fortschritte gemacht. Erfasst werden allgemeine Parameter wie Baujahr, Kubatur und Nutzungsart eines Gebäudes. Anhand derartiger Kriterien kann man bereits gute Annahmen treffen, welche Materialien verbaut worden sind. Nach der Erprobung in Heidelberg soll die Methode auf andere Städte und in ganz Europa als Blaupause angewandt werden

Bei der Analyse von 325 Gebäuden, die abgerissen oder saniert werden müssen, wurden umfangreiche Materialdaten erhoben. Dabei wurden insgesamt 465.880 Tonnen Material identifiziert:

  • 50 % davon bestehen aus Beton,
  • 20 % aus Mauersteinen,
  • 5 % aus Metallen.

Auch Einbauten wie Küchenzeilen, Steckdosen und Toiletten wurden erfasst, um das volle Potenzial der Wiederverwertung zu nutzen​.

Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts ist die Identifikation von Schadstoffen. In bisherigen Untersuchungen wurden problematische Stoffe wie Asbest in Putz oder PKA-Kleber unter Parkett entdeckt. Diese Daten dienen dazu, sichere Rückbauprozesse zu gewährleisten und Materialien gezielt für die Wiederverwendung oder das Recycling aufzubereiten​​.

Aktuell werden die Ergebnisse auf 22 Wohngebäude, 4 Doppelhäuser und 11 Sonderbauten im PHV-Teilbereich A5 übertragen, um gezielte Rückbauplanungen zu ermöglichen. Die nächsten Schritte beinhalten die Verifizierung der Daten vor Ort, die Entwicklung von Strategien für die stoffliche Verwertung und die Vorbereitung der Ausschreibungen.

Technische und logistische Herausforderungen Trotz dieser Fortschritte bleiben rechtliche und technische Hürden, z. B. die Lagerung von Materialien, die als Abfall klassifiziert werden könnten, oder die Zertifizierung von wiederverwendbaren Baustoffen

Ausblick

Heidelberg hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt:

  • Klimaneutralität: Bis 2040 soll die Stadt klimaneutral werden. Kommunale Liegenschaften sollen bereits bis 2030 weitgehend klimaneutral sein​.
  • Großflächige Einführung: Das Materialkataster soll auf weitere Stadtteile ausgeweitet und langfristig als Blaupause für andere Städte dienen​.
  • Standardisierung: Die Entwicklung von Standards für den Einsatz wiederverwendbarer Baustoffe ist zentral. Dies betrifft die Zertifizierung, Aufbereitung und verpflichtende Abnahme durch Bauherren und Investoren.

Langfristig soll Urban Mining nicht nur die Treibhausgasemissionen der Baubranche reduzieren, sondern auch neue Geschäftsmodelle für eine kreislauffähige Bauwirtschaft schaffen. Mit Projekten wie „Circular City Heidelberg“ zeigt die Stadt Heidelberg, wie Innovation und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Diese Initiative setzt Maßstäbe für zukunftsfähiges Bauen und beweist, dass ressourcenschonende Bauweisen nicht nur eine Vision, sondern eine konkrete Strategie sind.

Veranstaltungen

Was ist Urban Mining? Wie funktioniert eine Kreislaufwirtschaft? Darüber informierte und diskutierte die Stadt Heidelberg bei einer öffentlichen Veranstaltung am 6. Februar 2024 im Zuge der neuen Reihe „Stadtentwicklung im Dialog“. Den Auftakt bildete Matthias Schäpers, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, mit einem Impulsreferat zur Transformation der Baubranche. Die Stadtverwaltung Heidelberg berichtete vom Pilotprojekt „Circular City Heidelberg“, das auf der größten städtischen Konversionsfläche, dem Patrick-Henry-Village, gestartet ist. Dort entsteht durch die Entwicklung des neuen Stadtteils ein gigantisches Rohstofflager. Vertreten mit einem Beitrag war auch der Städtetag Baden-Württemberg.

Unterlagen zur Veranstaltung gibt es unter Stadtentwicklung im Dialog.

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