Von einem geschenkten Paket zur Bibliothek
Geschichte
Die Gründung der Stadtbücherei Heidelberg geht auf eine kuriose Anekdote aus dem Jahr 1904 zurück. Der damalige Oberbürgermeister Dr. Wilckens traf sich mit einer bis heute unbekannten Person, die ihm im Andenken an einen teuren Verstorbenen ein Paket übergab. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dieser Schenkung um diverse Wertpapiere, unter anderem chinesische Staatsanleihen und Gotthard-Aktien. Nach dem Verkauf der Aktien stand eine Summe von 30.000 Goldmark zur Verfügung, was in etwa 108.000 Euro entspricht. Nach dem Willen der Spenderin oder des Spenders, sollte mit diesem Erlös eine Volkslesehalle und Volksbibliothek gebaut werden.
Der Oberbürgermeister konnte jedoch nicht im Alleingang über ein so großes Projekt entscheiden, sowohl der Stadtrat als auch der Bürgerausschuss mussten einer Schenkung dieser Größe und dem Bau einer Volksbibliothek zustimmen. Schon seit Anfang 1904 hatten die Stadtverwaltung und die politischen Fraktionen über die Gründung einer Volksbibliothek diskutiert und Vorbereitungen getroffen. Erst die anonyme Spende brachte jedoch den entscheidenden Durchbruch und stellte eine ausreichende Finanzierung sicher. Im Dezember stimmte das badische Innenministerium schließlich der Stiftung zu. Dem Baubeginn stand nichts mehr im Weg. Die Errichtung der Bibliothek dauerte etwas über ein Jahr und am 21. April 1906 konnte die Volkslesehalle offiziell eröffnet werden.
Wandel zur modernen Stadtbücherei
1937 erfolgte eine Umbenennung in „Städtische Volksbücherei“ und in den folgenden Jahrzehnten zog die Stadtbücherei mehrmals um. Die beliebte Bildungs- und Kultureinrichtung hatte in den ersten 60 Jahren ihres Bestehens drei verschiedene Domizile in der Altstadt, bis sie 1966 nach einem mehrjährigen kommunalpolitischen Diskurs, einer langen Planungsphase und zwei Jahren Bauzeit am neuen Standort Poststraße eröffnet werden konnte.
Ähnlich wie in der Bahnstadt, wurde das alte Gleisgelände des ehemaligen Hauptbahnhofs zwischen Kurfürsten-Anlage und Poststraße überbaut. Der moderne, transparente Bau mit der Innenarchitektur nach skandinavischem Vorbild, wurde damals zum Anziehungspunkt für Architekten und Bibliotheksfachleute aus Deutschland und Europa. Die Freihandbibliothek nach angelsächsischem System war ein wichtiger Schritt hin zur nutzerfreundlichen Stadtbücherei von heute. 50 Jahre und zwei große Umbauten später, fungiert das Haus heute mehr denn je als lebendiger Begegnungsort für über 600.000 Besucher pro Jahr.