Business-Lounge "Industrie 4.0" des IT-Forums Rhein-Neckar
"Für die Umsetzung von Industrie 4.0 ist vor allem Mut gefragt“
Bei der Business-Lounge „Industrie 4.0 – IT als Innovationstreiber von Maschinenbau und Praxis“ im John Deere Forum Mannheim, informierten sich 60 Gäste über Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung von Industrie 4.0.
Zu der gemeinsam von IT-Forum Rhein-Neckar, Gesellschaft für Informatik und Verband der Elektrotechnik Kurpfalz organisierten Veranstaltung waren renommierte Referenten aus Praxis, Politik und Wissenschaft geladen, die in mehreren Vorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion ganz verschiedene Perspektiven der Thematik aufzeigten. Als Erfolgsfaktoren zur Umsetzung von Industrie 4.0 identifizierten sie internationale Standards, neue Geschäftsmodelle und Mut.
Zu Beginn stellten Dr. Alexander Horch, Abteilungsleiter Automation Device Technologies beim ABB Forschungszentrum Deutschland, und Friedrich Vollmar, Manager Technical Sales and Solutions, IBM Deutschland GmbH, die Sichtweisen von Automatisierung und IT auf die Thematik Industrie 4.0 gegenüber. Dr. Horch sah dabei aus Automatisierungssicht den größten Vorteil der Verschmelzung beider Disziplinen in der günstigen und schnellen Herstellung von Unikaten. Die vierte industrielle Revolution schaffe damit unbeschränkte Flexibilität und individuelle Produkte, wie sie bislang nur durch Handarbeit möglich waren. Dies könne auch zukünftige Produktionsstandorte beeinflussen. Statt verschiedene Kundenwünsche durch Überproduktion in Asien zu befriedigen, könnten maßangefertigte Unikate wieder in Europa hergestellt werden. Für die Verwirklichung dieser Zukunftsvision sei jedoch entscheidend, darin waren sich alle Referenten einig, dass eine gemeinsame Sprache von IT, Automatisierung und Maschinenbau und ein gemeinsamer Standard gefunden wird.
Friedrich Vollmar zeigte in seinem Vortrag am Beispiel der Landwirtschaft - Stichwort Farming 4.0 - wie dies aussehen kann. Dort sind über den Standard Isobus bereits alle am Ernteprozess beteiligten Einheiten wie Traktor und Anhänger vernetzt, übertragen Daten und stimmen sich im laufenden Ernteprozess untereinander ab. Der Fahrer sieht die Erntevorgänge ständig aktualisiert auf seinem Tablet.
Dr. Gunter Kegel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Pepperl+Fuchs GmbH, definierte in seinem Vortrag den Begriff Industrie 4.0 aus Sicht der elektrischen Automatisierungstechnik. Er machte klar, dass neue Geschäftsmodelle aus der vierten industriellen Revolution nur entstehen können, wenn deutlich mehr „industrielle“ Daten z. B. aus Automatisierungssystemen bereitgestellt werden.
Die politische Perspektive auf das Zukunftsprojekt in der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung zeigte Frau Monika Mundkowski-Vogt, Referatsleiterin im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, auf. Sie betonte das große Potenzial des Themas, ging aber auch auf die Gefahren ein, wie auf das Verschwinden ganzer Berufsbilder durch neue Anforderungsprofile. Industrie 4.0 betrachtet sie als Projekt, in dessen Umsetzung wir uns bereits befinden. Baden-Württemberg sieht sie dabei als Land mit vielen wissensintensiven Branchen und einer ausgeprägten wirtschaftsnaher Forschungslandschaft besonders gut für die neuen Herausforderungen aufgestellt. Die Aufgabe der Politik sei vor allem, kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung der Informatisierung der Fertigungstechnik zu unterstützen. Dazu gehört unter anderem auch der Breitbandausbau, der für die Unternehmen zur Verwirklichung von Industrie 4.0 notwendig ist.
Im letzten Vortrag blickte Dr. Jochen Friedrich, Leiter Technical Relations Europe bei der IBM Deutschland GmbH über den deutschen Tellerrand. Er zeigte, dass auch viele andere Länder, wie z. B. Großbritannien, Schweden oder die USA unter anderen Begrifflichkeiten an der Digitalisierung der Produktion arbeiten. Während die USA lange hinterher hinkten, liegen diese z. B. mit dem „Industrial Internet“ inzwischen mindestens gleich auf. Im globalen Wettbewerb um Führerschaft sieht Dr. Friedrich das größte Risiko für den Fortschritt der Industrie 4.0-Entwicklung. „Regionale Eitelkeiten könnten das Thema zerreiben und konkurrierende Standards die Entwicklung zum Erliegen bringen“, so seine Befürchtung.
Demnach lautete auch das Fazit in der abschließenden Paneldiskussion, dass uns die deutsche Mentalität, die Wert auf Kontrolle und Sicherheit legt, nicht im Weg stehen darf. „Für die Umsetzung von Industrie 4.0 ist vor allem Mut gefragt“, sagte Prof. Dr. Heinz Jürgen Müller, Dekan der Fakultät für Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsmathematik der Universität Mannheim. Daneben sei die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle entscheidend. Wichtig werde Industrie 4.0 nach Einschätzung der Experten vor allem bei Produkten, die nah am Kunden sind, wie z. B. bei Kleidungsstücken oder Möbeln nach eigenem Design. Software beeinflusse heutzutage jedoch alle Geschäftsmodelle.
Quelle: Pressemitteilung IT-Forum Rhein-Neckar (218,4 KB)
Weitere Infos
Webseite IT-Forum Rhein-Neckar