Jahresinterview mit Oberbürgermeister Eckart Würzner

„Viel kreatives und innovatives Potenzial“

OB Würzner steht an einem Rednerpult
Am 20. April eröffnete OB Eckart Würzner das Heidelberg Congress Center am Europaplatz in der Bahnstadt. (Foto: Christian Buck)

Herr Würzner, was war ihr Highlight-Moment 2024?

Oberbürgermeister Eckart Würzner Die Eröffnung des Kongresszentrums. Ich bin seit 18 Jahren OB – und fast genau so lange haben wir auf diesen Tag hingearbeitet. Die Wissenschaftsstadt Heidelberg hat nun endlich einen hervorragenden Ort für Tagungen und Konferenzen.  

Das Jahr geht mit einer Auflösung des Bundestags zu Ende – macht Ihnen die politische Großwetterlage Sorgen?

Würzner Es ist bedenklich, wenn extreme Positionen immer mehr Zulauf bekommen. In Heidelberg sind wir aber in einer sehr guten Situation. Die Kommunalwahl hat zwar zu einem sehr heterogenen Gemeinderat mit 14 Parteien und Gruppierungen geführt. Aber es gibt ein gutes Miteinander und bei der übergroßen Mehrheit einen demokratischen Grundkonsens. 

Und die internationale Lage?

Würzner Die Kriege in der Ukraine und in Nahost sind bedrückend. Wir erfahren viel über unsere engen Verbindungen nach Odessa oder Rehovot. Mit Odessa gehen wir nun eine Städtepartnerschaft ein – das ist unser Zeichen als Stadt, dass wir auf der Seite von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen. Mit Rehovot haben wir so eine Partnerschaft schon lange. Gerade dieses Jahr hatten wir eine Delegation aus Israel zu Gast. Wenn man deren Berichte hört, kann man nur froh sein, dass wir in einer friedlichen Nachbarschaft leben dürfen. 

Zu der überregionalen Krisenstimmung kommt in Heidelberg nun eine schwierige Finanzlage.

Würzner Die ist wirklich ernst – aktuell fehlen uns im kommenden Doppelhaushalt mindestens 100 Millionen Euro. Das ist eine Größenordnung, wie wir sie noch nie hatten. Es muss sich jeder darauf einstellen, dass es in seinem Lebensumfeld zu Einschnitten kommen kann oder man für städtische Leistungen mehr bezahlen muss. 

Warum muss die Stadt nach vielen guten Jahren nun sparen?

Würzner Es kommen mehrere Dinge zusammen. Bund und Land geben immer mehr Aufgaben an die Kommunen ab, aber sorgen nicht für eine Gegenfinanzierung. Dadurch steigen unsere Ausgaben enorm an. Hinzu kommt die allgemeine Wirtschaftskrise. Das lässt unsere Gewerbesteuereinnahmen einbrechen. 2022 haben wir noch die Rekordsumme von 169 Millionen Euro verbucht. 2024 kommen wir maximal auf 125 Millionen Euro.  

Was lässt sich dagegen tun?

Würzner Ich sage schon seit Jahren, dass wir für die Wirtschaft in Heidelberg eine größere Wertschätzung brauchen. Das Wachstum wurde zu lange als selbstverständlich hingenommen. Wir können wenig gegen Entwicklungen auf dem Weltmarkt ausrichten. Aber wir können unseren Unternehmen hier vieles einfacher machen. Wir kümmern uns als Stadt zum Beispiel darum, dass die „weißen Flecken“ bei der Versorgung mit schnellem Internet verschwinden. Und wir müssen unsere Gewerbeflächen auch tatsächlich für Gewerbe nutzen.

Was meinen Sie damit?

Würzner Wir haben einen hohen Bedarf an Gewerbeflächen – man sieht das am Interesse am gemeinsamen Gewerbepark mit Leimen oder an unserem Heidelberg Innovation Park an der Speyerer Straße. Dort haben wir vor fünf Jahren angefangen und es sind schon über 70 Unternehmen eingezogen. Aber es kommt mir zu oft vor, dass Flächenentwicklungen scheitern, weil beispielsweise Eidechsen gefunden werden. Das ist in Baden-Württemberg dann ein Riesenproblem, in anderen Ländern sind die Tiere gar nicht mehr geschützt!

Blick von oben auf Menschen in einem Foyer mit hoher Decke und Betonwänden
(Foto: Felix Huth)

Wegen der Versiegelung kommt es bei solchen Ansiedlungen auch oft zu Konflikten mit Klimaschützern …

Würzner Ich bin selbst ein großer Klimaschützer und räume diesem Thema oberste Priorität ein. Die EU hat uns dieses Jahr sogar in den Kreis der besonders ambitionierten Städte aufgenommen und das EU-Mission-Label verliehen. Wir würden einem Unternehmen, das nicht zu Heidelberg passt, auch keine Entwicklung ermöglichen. Aber wir dürfen nicht innovationsfeindlich werden und jeden Fortschritt im Keim ersticken, wenn eine unangenehme Entscheidung ansteht. 

Haben Sie ein Beispiel?

Würzner Wir wollen möglichst schnell klimaneutral werden. Das bedeutet, wir müssen die Produktion aus erneuerbaren Energien mit Partnern wie unseren Stadtwerken schnell hochfahren – über Solaranlagen, eine neue Flusswärmepumpe und auch mithilfe der Windenergie. Ich kann jeden verstehen, der mit Windrädern in unseren Hanglagen im Wald Probleme hat. Aber dort weht nun einmal der Wind. Wir können es uns nicht erlauben, solche Potenziale ungenutzt zu lassen. 

Positive Nachrichten gab es vom Heidelberger Wohnungsmarkt. Fast 400 neue Wohnungen fertig, fast 1000 sind noch im Bau. Wie geht das angesichts einer bundesweiten Bauflaute?

Würzner Wir ernten hier Erfolge, die schon vor Jahren gesät wurden. In der Bahnstadt und bei den Army-Flächen sind wir selbst als Entwickler aufgetreten oder haben Entwicklungen mit Partnern wie unserer GGH auf den Weg gebracht. Deshalb entstehen dort heute Hunderte Wohnungen, viele davon im preisgünstigen Segment. 

Die Stadt hat ja auch einen prominenten Leerstand – der Kaufhof am Bismarckplatz. Sind hier für Sie auch Wohnungen vorstellbar?

Würzner  Die Stadt ist nicht der Eigentümer, wir haben da nichts in der Hand. Ich denke aber, dass in dieser Lage immer ein Handelsangebot hingehört, zumindest in den unteren Etagen. Wir haben mit der Aufwertung des Bismarckplatzes jetzt schon unseren Teil für ein attraktives Umfeld geleistet – mehr Grün, mehr Bäume, neue Sitzmöbel. Und seit ein paar Wochen hat das Gebäude einen neuen Besitzer und das stimmt mich optimistisch, dass es hier vorwärts geht. 

Was lässt Sie noch positiv nach 2025 schauen?

Würzner  Da fällt mir sehr viel ein: Wir sind die jüngste Stadt Deutschlands, es gibt in Heidelberg so viel kreatives und innovatives Potenzial. Wir haben ein großartiges soziales Miteinander, lebendige Stadtteile und viele Bürgerinnen und Bürger, die sich für ihr Umfeld und ihre Mitmenschen engagieren – ganz oft sogar ehrenamtlich. Ich bin deshalb sicher, dass wir trotz der finanziellen Herausforderungen weiter eine der lebenswertesten Städte in Europa sein werden.