Chronik
Neuenheim, eine selbständige Gemeinde vor den Toren Heidelbergs, war in Jahrhunderten durch Kriegswirren, Brandschatzungen und Plündereien, aber auch durch schwere Hochwasser leidgeprüft. So war es nicht verwunderlich, dass schon immer ein ausgeprägter Gemeinschaftssinn bestand. Bei großen Bränden war es daher selbstverständlich, dass jeder Bürger mit seinem Brandeimer zur Unglücksstelle eilte, um dort zu helfen. Nachteilig erwies sich allerdings, dass häufig eine einheitliche Führung bei der Brandbekämpfung fehlte und die helfenden Bürger unausgebildet und ohne effiziente Arbeitskleidung den Kampf gegen das Feuer aufnahmen. Verheerende Großbrände wie beispielsweise 1842 in Hamburg, 1847 in Karlsruhe - der zur Zerstörung des Hoftheaters führte und 63 Brandopfern forderte - oder der Großbrand 1834 in Handschuhsheim, ließen die Missstände bei der Brandbekämpfung deutlich werden und schafften öffentliches Bewusstsein.
Eine Löschmannschaft musste Neuenheim schon um 1853 zusammengestellt haben. Mit ihr leistete man Heidelberg schon damals Nachbarschaftshilfe bei einem Brand in einer "Kunstmühle". Dies geht jedenfalls aus einem Schriftwechsel zwischen dem Verwaltungsrat der Heidelberger Feuerwehr und dem Bürgermeister hervor. Damals waren "einige Fässchen", woraus den Löschmannschaften Erfrischungen gereicht wurden, abhanden gekommen. Aber trotz Einvernahme der Neuenheimer Löschmannschaft blieben die Fässchen unauffindbar. Leider sind Protokollbuch und Stammrolle aus der Gründerzeit der FFW Neuenheim verloren gegangen. Ab 1862 hatte jeder Bürger, bei Antritt des Bürgerrechts neben einem Anerkennungsgeld außerdem drei Gulden für einen Feuereimer zu entrichten.
Der Namen des ersten Kommandanten ist in den vorhandenen Unterlagen nicht vermerkt. Der Stammrolle von 1907 ist zu entnehmen, dass die Gründung zum 3. Januar 1862 erfolgt ist. Interessant ist allerdings, dass sich die ersten 40 - 50 Gründungs- bzw. Anfangsmitglieder überwiegend aus Landwirten und Handwerksmeistern zusammensetzten. Von 1875 – 1899, also 25 Jahre, führte Kommandant Heinrich Lentz die Wehr. 1891 vollzog sich der Anschluss Neuenheims an die Stadt Heidelberg und Neuenheims Wehr wurde zur dritten Compagnie. Je eine Wehr bestanden bereits in der Kern- und Voraltstadt. Nach weiteren Eingemeindungen zählt die FFW Neuenheim heute, nach der Wehr aus der Altstadt (1857) und Ziegelhausen (1860) zur drittältesten.
Einige Einsätze sind vermerkt:
Im Oktober 1890 ein Dachstuhlbrand im "Alten Schiff", Uferstr. 10; Unterstützung bei der Löschung zahlreicher Brände in Heidelberg, wie dem Brand in der Zementfabrik Schifferdecker in Bergheim oder Hilfeleistungen bei Hochwasser. Nach einem kurzzeitigen Aufenthalt im Anwesen der Gaststätte "Zur Rose" Ecke Ladenburger Straße / Lutherstraße wurde um 1895, also nach der Eingemeindung, das Spritzenhaus an der heutigen Stelle errichtet. 1899 zählte die FFW Neuenheim 60 aktive und 24 passive Mitglieder. Spritzenwagen und Gerätschaft der Feuerwehr waren anfänglich beim Rathaus in der Schulzengasse untergebracht. 1909 stellte man beim Stadtrat in Heidelberg den Antrag, die Ein- und Ausfahrt direkt auf die Ladenburger Straße herzustellen, anstatt der bisher im rechten Winkel auf die Lutherstraße verlegten Zufahrt. Ab 1900 übernahm der Schlossermeister Karl Heuser, Sohn des Weingärtners und Kronengartenbesitzers gleichen Namens, das Kommando der dritten Compagnie. Karl Heuser war auch während des Erstern Weltkrieges Feuerwehr Hauptmann in Neuenheim. Er hatte die Leitung über 27 Jahre inne. In dieser Zeit werden Kameradschaft, Zuverlässigkeit und Disziplin groß geschrieben. Der Hauptmann führt die Wehr mit zeitgemäßer Strenge und Autorität.
Am 25.6.1907 kam es zu einem folgenschweren Brandunglück:
Während einer Schlossbeleuchtung bricht in der Wohnung des Schutzmannes Adam Müller in der Brückenstraße 19 / Ecke Ladenburger Straße im Dachgeschoß ein Brand aus. Die Ehefrau und zwei Kleinkinder können gerettet werden. Bei der Brandbekämpfung stürzt - laut Zeitungsberichten - der 31 Jahre alte, verheiratete Flaschnermeister Rudi Zimmermann aus einer Höhe von etwa 20 Metern von einer Leiter ab und erleidet dabei tödliche Verletzungen. Der junge Feuerwehrkamerad war erst wenige Monate zuvor der Wehr beigetreten. Die anfängliche Vermutung, wonach die OEG beim Befahren der Brückenstraße während der Löscharbeiten gegen die Leiter gestoßen war, bestätigte sich nicht. Das Unglück wurde durch das Umsetzen der Leiter verursacht. Dieser einzige schwere und mit tödlichem Ausgang verlaufene Einsatz, war lange Zeit Mahnung und Ansporn für eine gute Ausbildung und ständiger Übungsbereitschaft. Die Witwe des Verunglückten erhielt für sich und ihre zwei Kinder eine monatliche Unterstützung von 100 Mark.
Alljährliche Höhepunkte und Festlichkeiten waren die "Dekorierung" langjährig aktiver Mitglieder zum Geburtstag des Großherzogs, der Maiausmarsch und die Abkommandierung zum Zapfenstreich am Geburtstag des Kaisers. Im Mai 1912 wurde an zwei Tagen das 50. Stiftungsfest gefeiert. Fünf der vermutlich sieben Gründungsmitglieder waren noch am Leben und wurden gebührend dekoriert. Während am ersten Tag ein Festbankett mit Tanzabend stattfand, wanderte man am zweiten Tag beim Familienausflug über den Philosophenweg - "Weißer Stein" nach Ziegelhausen.
Im ersten Weltkrieg wurden zahlreiche aktive Mitglieder zum Militär eingezogen. Ihnen sandte man als Zeichen heimatlicher Verbundenheit sogenannte "Liebesgaben von fünf Mark" an die Front. Die Lücken in der Wehr wurden in dieser Zeit mit Hilfs- bzw. Ersatzmannschaften aufgefüllt. Nachwuchssorgen gab es ständig. So geht aus dem Protokoll vom 24. Februar 1918 hervor, dass "nach der Kirche um 11 Uhr die Mitgliederbetreibung vorzunehmen sei" oder, dass junge Männer mit einer "Aufforderung an den Vorstand der Turngemeinde zum Beitritt in die Feuerwehr zu bewegen seien". Im Januar 1920 hilft die dritte Compagnie bei einem Brand im Hotel Bellvue auf dem Jettenbühl. Für den tatkräftigen Einsatz sprechen Stadtrat und Oberbürgermeister ihren Dank und ihre Anerkennung aus. 1927 werden Jakob Arnold und 1931 der Zimmermann Karl Lenz zum Hauptmann gewählt.
1934 wird die dritte Compagnie mit 30 Mann bei einem Großfeuer am Friesenberg eingesetzt, zur Hilfeleistung an den Brand der Villa Reis gerufen und zu einer versuchten Brandstiftung im alten Mönchhof alarmiert.
Peter Langer wurde 1934 noch zum Zugführer gewählt, doch bereits zu dieser Zeit wurde deutlich, dass das dritte Reich massiv in die Organisationsstrukturen der Freiwilligen Feuerwehren eingreifen würde. Nach Hitlers Machtergreifung betrieben die politischen Machthaber recht schnell die Neuorganisation der Freiwilligen Feuerwehren. Im Runderlass Nr. 52916 des Ministeriums des Inneren vom 25. Mai 1934 heißt es: "Der Staat wird auf diesem Gebiet [gemeint war das Feuerlöschwesen] künftig einen größeren Einfluss nehmen und im Zusammenhang damit wird auch eine straffere Organisation der Freiwilligen Feuerwehren und ihrer Verbände erfolgen. Im Großherzogtum Baden, aber auch dem späteren Freistaat Baden, wurden die Freiwilligen Feuerwehren immer als geschätzte bürgerliche Hilfsleistungsorgane in Selbstverwaltung angesehen und als solche gefördert. Dies war für die Nazis störend. Durch "Reichsgesetz über das Feuerlöschwesen vom November 1938" fand auch in Baden die Umwandlung der Feuerwehren in eine Polizeiorganisation, der sogenannten Feuerlöschpolizei, nach reichseinheitlichem Muster statt. Die Neuenheimer Compagnie wurde zum dritten Löschzug von acht Löschzügen in Heidelberg. Der Löschzug wurde von einem Oberbrandmeister geführt, der Zugführer wurde zum Brandmeister und die Obleute zu Oberfeuerwehrmännern. Von 1940 bis Kriegsende wurde eine Protokollführung untersagt. Ein Vereinsleben fand nicht statt. 1946 trugen der neue Löschzugführer Heinrich Weber und sein Stellvertreter Georg
Langer einiges im Protokollbuch nach:
Während des Krieges hatten man durch Notdienstverpflichtungen die Feuerwehr verstärkt. In dieser Zeit gab es 649 Mal Fliegeralarm zu denen der Neuenheimer Löschzug gerufen wurde. Außerdem mussten sie zu 26 größeren Bränden ausrücken, neben Heidelberg auch nach Mannheim, Frankfurt, Stuttgart und Eberbach. Der letzte Einsatz ist für den 21. Mai 1945 an der Markthalle von Handschuhsheim vermerkt. Nach dem Krieg scheideten 19 Mann (darunter die gesamte Führung des Löschzuges) aus Altersgründen oder wegen der Zugehörigkeit zur Partei oder SS, aus der Wehr Neuenheim aus. Im Juli 1949 ist der Löschzug noch ganze 18 Mann stark. In den folgenden Jahren wird der Löschzug der FFW Neuenheim zahlreich eingesetzt.
Hier nur einige Stichwörter:
- Jahreswechsel 1945 / 46: Hochwasserkatastrophe
- um 1949: Brand in der Stadthalle
- August 1949: Verhinderung eines Großbrandes bei einem auf dem Messplatz gastierenden Zirkus
- Oktober 1951: Großbrand im Neurott
- Mai 1953: Brand im Alten Mönchhof
- Januar 1954: Brand in dem studentischen Traditionslokal Hirschgasse (Schläuche wegen Kälte gerissen)
- September 1955: Großbrand einer Scheune im Hegenichhof
- September 1956: Bergung von 4 verschütteten Arbeitern in einer Baugrube beim alten Bahnhof
- September 1959: Großbrand bei der Firma Mecano Bundy
Zwischenzeitlich war 1950 Georg Langer zum zweiten Kommandanten und Hauptbrandmeister ernannt worden. Er übte dieses Amt bis 1974 aus. Heinz Rehberger trat 1952 als Gruppenführer die Nachfolge von Georg Gugau an und Löschzugführer Heinrich Weber wechselte 1954 zum Kommando. Sein Nachfolger wird Wilhelm Dreikorn. Unter Löschzugführer Heinz Rehberger feierte die Abteilung Neuenheim am 30.6. / 1.7.1962 das 100. Stiftungsfest. Dekan Dr. Barner hält die Festansprache während des Festbanketts im "Schwarzen Schiff". Heinz Rehberger wird 1974 Stadtbrandmeister und Werner Walter neuer Abteilungskommandant. Im März 1985 übernimmt Günter Knapp die Führung. Am 17. Juni 1986 verstirbt nach schwerer Krankheit Heinz Rehberger. In den letzten Jahren vermerkte das Protokollbuch Hilfeleistungen bei drei Großbränden, 1969 in der Firma Febolit in Pfaffengrund, 1972 an der Herrenmühle und 1984 in der neuen Pädagogischen Hochschule im Neuenheimer Feld.
Zunehmend beschränken sich die Einsätze auf die Besetzung der Wache der Berufsfeuerwehr, Brandwachen nach den Löscharbeiten, Hilfeleistungen bei Großveranstaltungen wie Ruderregatten, Schlossbeleuchtungen oder Festivals auf der Thingstätte, Wässern der Bäume am Neckarvorland, Hilfeleistungen nach Hochwassern oder Unwettern wie Keller auspumpen, umgefallene Bäume beseitigen und Unrat wegräumen oder dem Brandschutz bei Martinszügen. Die Freiwillige Feuerwehr wird "zum Mädchen für alles".